59. Kongress für Allgemeinmedizin und Familienmedizin
59. Kongress für Allgemeinmedizin und Familienmedizin
iCreate – Diagnostik kognitiver Störungen durch die Anwendung eines digitalisierten Kurztests
2Universitätsklinikum Bonn, Klinik für Kognitive Störungen und Alterspsychiatrie, Bonn, Deutschland
3Universitätsklinikum Bonn, Institut für digitale Medizin, Bonn, Deutschland
4Universität Siegen, Siegen, Deutschland
5Deutsches Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen e. V. (DZNE), Standort Rostock/Greifswald, Rostock, Deutschland
Text
Hintergrund: Die Früherkennung von Demenz in der hausärztlichen Versorgung ist bislang unzureichend. Weniger als 10% der Betroffenen mit prodromaler Demenz werden frühzeitig erkannt, was sich negativ auf Diagnose, Therapie und soziale Leistungen auswirkt. Digitale Kognitionstests bieten eine vielversprechende, niedrigschwellige Möglichkeit für ein verbessertes Case-Finding sowie die Reduktion von Über-, Unter- oder Fehlversorgung.
Zielsetzung/Fragestellung: Ziel der Studie „iCreate“ war die Verbesserung der Demenzdiagnostik durch die Integration eines digitalen, tabletgestützten Kognitionstests (MoCA) in hausärztlichen Praxen, durchgeführt durch geschulte Medizinische Fachangestellte (MFA), sowie die anschließende strukturierte Weiterleitung in eine Gedächtnisambulanz zur weiterführenden Demenzdiagnostik. Ebenso stand die Evaluation hinsichtlich Machbarkeit und Akzeptanz eines solches Vorgehens im Vordergrund.
Material und Methoden: Die Studie gliederte sich in drei Teilprojekte: (1) digitale MoCA-Testung bei Patient:innen ≥60 Jahren in zehn Hausarztpraxen (N=313), (2) 21 qualitative Interviews mit Stakeholdern zur Akzeptanz und Umsetzbarkeit, (3) Entwicklung und Evaluation zusätzlicher digitaler Testverfahren und mimischer Marker zur Früherkennung. Die Testergebnisse wurden automatisiert ausgewertet und mithilfe eines Ampelsystems interpretiert.
Ergebnisse:
- Von 299 ausgewerteten Tests wurden 95 Patient:innen zur Gedächtnisambulanz zur weiterführenden Demenzdiagnostiuk überwiesen, 80% erhielten dort eine MCI-Diagnose. Die MoCA-Scores korrelierten signifikant mit etablierten Testverfahren (CERAD).
- Die digitale Testung wurde von Ärzt:innen, MFA und Patient:innen als praktikabel und sinnvoll bewertet. MFA empfanden die Testdurchführung als bereichernd, Patient:innen schätzten die niederschwellige Möglichkeit zur Überprüfung ihrer kognitiven Leistungsfähigkeit.
- Die ergänzende mimikbasierte Analyse und neue digitale Testbatterien zeigten zusätzliche diagnostische Potenziale. Die Usability wurde überwiegend positiv bewertet, nahm jedoch mit steigendem Alter und niedrigeren kognitiven Werten ab.
Diskussion: Digitale Kognitionstests sind praktikabel, akzeptiert und können wesentlich zur Früherkennung von Demenz in der Primärversorgung beitragen. Die delegierbare Durchführung durch MFA sowie die automatisierte Auswertung entlasten und ermöglichen objektive, standardisierte Ergebnisse. Die Studie unterstreicht jedoch den Bedarf nach verbesserter intersektoraler Kommunikation und strukturellen Voraussetzungen für eine nachhaltige Implementierung in die Regelversorgung.