59. Kongress für Allgemeinmedizin und Familienmedizin
59. Kongress für Allgemeinmedizin und Familienmedizin
Hausärztliche Perspektiven auf die Versorgung von Patient:innen mit Post-COVID-Syndrom: Herausforderungen und Bedarfe für eine interdisziplinäre Zusammenarbeit
2Charité – Universitätsmedizin Berlin, Institut für Sozialmedizin, Epidemiologie und Gesundheitsökonomie, Berlin, Deutschland
3Universität Tübingen, Institut für Allgemeinmedizin & Interprofessionelle Versorgung, Tübingen, Deutschland
4Bosch Health Campus, Robert Bosch Centrum für Integrative Medizin und Gesundheit, Deutschland
Text
Hintergrund: Hausärzt:innen (HÄ) verfügen über mehrjährige Erfahrung in der Versorgung von Patient:innen mit Post-COVID-Syndrom (PCS) und sind zentrale Ansprechpersonen. Trotz zunehmender Erkenntnisse bestehen weiterhin Herausforderungen in der Versorgung dieser Patientengruppe.
Zielsetzung/Fragestellung: Die Studie untersucht anhaltende Herausforderungen in der hausärztlichen Versorgung von Patient:innen mit PCS und arbeitet Bedarfe für eine verbesserte interdisziplinäre Zusammenarbeit heraus.
Material und Methoden: Zwischen Oktober 2023 und Mai 2024 wurden drei Fokusgruppen mit insgesamt siebzehn HÄ aus Berlin und Brandenburg durchgeführt (eine in Präsenz, zwei online). Die Diskussionen basierten auf einem selbstentwickelten Leitfaden, wurden aufgezeichnet, pseudonym transkribiert und mittels einer kombinierten deduktiv-induktiven Framework-Analyse ausgewertet. Zur Validierung der Ergebnisse fand im Oktober 2024 eine weitere Gruppendiskussion mit sieben der ursprünglichen Teilnehmenden statt.
Ergebnisse: Die teilnehmenden HÄ berichteten von diagnostischer und therapeutischer Unsicherheit, langen Wartezeiten in spezialisierten Einrichtungen sowie fehlender Evidenz und Wissenslücken als zentrale Herausforderungen. Defizite in der interdisziplinären Abstimmung und ein unzureichender Austausch mit anderen Versorgern wurden beschrieben. Die subjektive Belastung der HÄ im Umgang mit den Erkrankten, insbesondere die häufig begleitenden sozialen Veränderungen der Patient:innen, stellen eine zusätzliche Herausforderung dar. Die Befragten betonten die Notwendigkeit eines schnelleren und niedrigschwelligen Zugangs zu Spezialambulanzen sowie verbesserter Rehabilitationskonzepte. Sie sehen sich als zentrale Akteur:innen in der Versorgung und wünschen sich eine stärkere Anerkennung ihrer Rolle im Behandlungskontext.
Diskussion: HÄ spielen eine essenzielle Rolle in der Versorgung von Patient:innen mit PCS, auch in Situationen, in denen Therapiemöglichkeiten begrenzt sind. Um dieser Rolle gerecht zu werden, benötigen sie einen erleichterten Zugang zu aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen sowie ein etabliertes Versorgungssystem, das auf interdisziplinäre Kooperation setzt.
Take Home Message für die Praxis: Die Versorgung von Patient:innen mit PCS stellt aufgrund des komplexen Krankheitsbildes und seiner sozialen Implikationen eine besondere Herausforderung für HÄ dar. Ein intensiverer Austausch sowohl unter HÄ als auch mit spezialisierten Einrichtungen ist essenziell, um eine qualitativ hochwertige Versorgung auf Basis der sich stetig weiterentwickelnden Evidenz sicherzustellen.