59. Kongress für Allgemeinmedizin und Familienmedizin
59. Kongress für Allgemeinmedizin und Familienmedizin
Ein partizipativer Co-Creation-Prozess zur bedarfsgerechten Anpassung des Sozialen Rezepts für LGBTIQ+-Personen
2Universitätsklinikum Freiburg, Institut für Allgemeinmedizin, Freiburg, Deutschland
3Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, Medizinische Fakultät, Freiburg, Deutschland
4Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Institut und Poliklinik für Allgemeinmedizin, Hamburg, Deutschland
Text
Hintergrund: LGBTIQ+-Personen sind häufig mit sozialen Belastungen konfrontiert – etwa in Form von Einsamkeit oder familiären Konflikten. Hausarztpraxen sind meist die erste Anlaufstelle im Gesundheitssystem – doch dort fehlen häufig geeignete nicht-klinische Angebote, um diese Bedürfnisse zu adressieren. Das Soziale Rezept (engl. „Social prescribing“) ist ein innovativer Ansatz, der den Zugang zu sozialen Unterstützungsangeboten in der Primärversorgung verbessern soll. Obwohl Studien auf positive gesundheitliche Effekte hinweisen, wurde das Soziale Rezept bislang kaum an die Bedürfnisse von LGBTIQ+-Personen angepasst – dabei könnte diese Zielgruppe besonders profitieren.
Zielsetzung/Fragestellung: Im Rahmen des europäischen Forschungsprojekts SP-EU wird das Soziale Rezept gezielt für LGBTIQ+-Personen weiterentwickelt. Die angepasste Version soll im Anschluss im Rahmen einer multizentrischen, randomisiert-kontrollierten Studie in acht europäischen Ländern auf ihre Wirksamkeit hin überprüft werden.
Material und Methoden: Auf Basis des Frameworks von Hawkins et al. (2017) erfolgt ein iterativer, dreiphasiger Co-creation-Prozess: Phase 1 umfasst einen Rapid Review bestehender SP-Manuale, -Protokolle und Schulungsprogramme. Zusätzlich werden Workshops mit LGBTIQ+-Personen durchgeführt, um exemplarische Fallvignetten zu entwickeln. Phase 2 beinhaltet zwei Workshops, in denen die zuvor entwickelten Fallvignetten sowie die Ergebnisse des Rapid Reviews genutzt werden, um spezifische Anpassungen vorzunehmen. Phase 3 sieht eine partizipative Rückkopplung der vorläufigen Ergebnisse in den Local-advisory-Boards der Studienzentren vor. Der Prozess schließt mit einer Konsensuskonferenz zur Finalisierung der Anpassungen ab.
Ergebnisse: Im Rahmen des Co-creation-Prozesses zeichnen sich bereits erste Anpassungserfordernisse ab, die auf die spezifischen Lebensrealitäten der Zielgruppe eingehen – darunter gendersensible und diskriminierungskritische Sprache sowie niedrigschwellige Zugänge zu Unterstützungsangeboten. Vorläufige Ergebnisse aus dem laufenden Prozess werden vorgestellt.
Diskussion: Die partizipative Entwicklung des Sozialen Rezepts liefert wichtige Erkenntnisse für eine diversitätssensible und bedarfsgerechte Versorgung in der Primärversorgung – auch über die LGBTIQ+-Zielgruppe hinaus.
Take Home Message für die Praxis: Durch die Einbindung der Zielgruppe im Rahmen eines strukturierten Co-creation-Prozesses kann das Soziale Rezept zielgruppengerecht weiterentwickelt und der Zugang zu sozialen Unterstützungsleistungen im hausärztlichen Kontext für LGBTIQ+-Personen verbessert werden.