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59. Kongress für Allgemeinmedizin und Familienmedizin

Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM) e.V.
01.-03.10.2025
Hannover


Meeting Abstract

Gesundheitsängste in der allgemeinmedizinischen Versorgung – eine qualitativ explorative Befragung von Hausärzt:innen in Berlin, Brandenburg und Rheinland-Pfalz zu Erfahrungen, Herausforderungen und Umgangsstrategien

Katharina Löwe 1
Michael Jansky 1
Julian Wangler 1
1Universitätsmedizin Mainz, Zentrum für Allgemeinmedizin und Geriatrie, Mainz, Deutschland

Text

Hintergrund: Gesundheitsängste präsentieren sich bei Patient:innen vielfältig und führen zu intensiver Selbstbeobachtung, wiederholten Arztbesuchen und diagnostischen Maßnahmen. Diese Problematik wird für die hausärztliche Versorgung immer relevanter. Bislang fehlt es an Studien, die die Relevanz von Gesundheitsängsten in der Primärversorgung sowie die Erfahrungen, Herausforderungen und Umgangsstrategien der Allgemeinärzt:innen beleuchten.

Zielsetzung/Fragestellung: Die Studie exploriert den Status quo rund um Gesundheitsängste in der hausärztlichen Versorgung, beleuchtet Erfahrungen, Herausforderungen, Lösungsansätze und möchte Ansatzpunkte für den Umgang ableiten.

Material und Methoden: Im Jahr 2023 wurden 21 Hausärzt:innen aus den Bundesländern Berlin, Brandenburg und Rheinland-Pfalz mittels qualitativer, leitfadengestützter Interviews befragt. Die Ergebnisse wurden einer qualitativen Inhaltsanalyse unterzogen. Soziodemographische Merkmale wurden bewusst breit gestreut, um ein vielfältiges Sample zu erhalten.

Ergebnisse: Viele Hausärzt:innen berichten, dass Gesundheitsängste im Versorgungsalltag eine zentrale Rolle spielen und v.a. Frauen mittleren Alters betroffen sind. Typische Vorstellungsgründe sind Kopf- und abdominelle Schmerzen sowie vegetative Symptome wie Schwindel oder Übelkeit, teils begleitet von depressiven Symptomen. Der Umgang mit Betroffenen wird als herausfordernd empfunden – insbesondere aufgrund hoher Erwartungen, der Vermeidung von Überdiagnostik und der Abgrenzung körperlicher und psychischer Ursachen. Viele Hausärzt:innen haben indes Umgangsstrategien entwickelt und setzen auf Empathie, Erklärungsmodelle und Verbildlichungen, was jedoch nicht immer zum Erfolg führt. Die Mehrheit der Interviewten erwartet eine Zunahme von Gesundheitsängsten. Sie fordern eine bessere Vernetzung mit Psycholog:innen und Psychiater:innen sowie den Ausbau eigener psychotherapeutischer Kompetenzen. Auch verlässliche Gesundheitsinformationen und eine stärkere Gesundheitsaufklärung werden genannt.

Diskussion: Gesundheitsängste sind für die Hausarztmedizin von zunehmender Bedeutung. Eine frühzeitige Identifikation Betroffener ist entscheidend, um gezielt zu therapieren und Überdiagnostik zu vermeiden. Bislang mangelt es an geeigneten Screening-Methoden, Leitlinien und standardisierten Therapieansätzen.

Take Home Message für die Praxis: Eine frühzeitige Erkennung und gezielte Strategien in der Patientenführung sind notwendig und hilfreich, um nicht nur die Lebensqualität der Betroffenen, sondern auch die Effizienz und Zufriedenheit in der hausärztlichen Versorgung zu verbessern.