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59. Kongress für Allgemeinmedizin und Familienmedizin

Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM) e.V.
01.-03.10.2025
Hannover


Meeting Abstract

Einstellungen von Hausärzt:innen und ambulant tätigen Anästhesist:innen zu den Folgen der Cannabislegalisierung in Deutschland

Uta Hochheim 1
Frank Müller 1
Eva Maria Noack 1
1Universitätsmedizin Göttingen, Institut für Allgemeinmedizin, Göttingen, Deutschland

Text

Hintergrund: Die letzte Bundesregierung hat zum 01.04.2024 Besitz und Konsum von Cannabis unter bestimmten Bedingungen legalisiert. Hausärzt:innen und ambulant tätige Anästhesist:innen verordnen am häufigsten medizinisches Cannabis; ihre Perspektive zu den erwartbaren Folgen der Legalisierung wurde jedoch kaum einbezogen.

Zielsetzung/Fragestellung: Erhebung der Erfahrungen von Ärzt:innen mit Cannabis konsumierenden Patient:innen, mit medizinischem Cannabis, mit eigenem Konsum sowie Einschätzung der Erwartungen der Regierung zu den Folgen der Legalisierung.

Material und Methoden: Explorative Querschnittserhebung unter Hausärzt:innen und ambulant tätigen Anästhesist:innen in Niedersachsen, Bayern und Saarland mittels Fragebogen von Q4/2023 bis Q1/2024 (vor der Legalisierung). 240 von 946 Ärzt:innen sandten den Fragebogen zurück (Rücklauf 25,4%).

Ergebnisse: Mit einer Zunahme von Cannabiskonsumstörungen rechneten 61%, mit einer Zunahme des Konsums anderer illegaler Drogen 19%. Bezüglich der Erwartungen der Bundesregierung zu verbesserter Qualitätskontrolle und Schwarzmarktreduzierung waren die Einschätzungen der Ärzt:innen uneinheitlich. Mit sicherem Jugend- und Gesundheitsschutz rechneten sie nicht. Die Bereitschaft sich zu Cannabis fortzubilden, war gering.

Während 93% der Ärzt:innen Patient:innen hatten, die mit ihnen über Cannabis sprechen, fragten die meisten nur selten nach dem Konsum von Drogen oder explizit von Cannabis. Anlass dafür waren Verdacht (66%), Erstanamnese (40%) und ‚Bauchgefühl‘ (40%). 38% der Ärzt:innen hatten Konsumerfahrung mit Cannabis.

Eigener Konsum und Erfahrung mit Cannabisverschreibung beeinflussten die ärztlichen Einstellungen. So bestand bspw. ein signifikanter, aber schwacher Zusammenhang zwischen eigener Cannabiserfahrung und der Erwartung eines steigenden Cannabiskonsums bei Patient:innen. Weitere Ergebnisse werden bei der DEGAM präsentiert.

Diskussion: Die Ergebnisse deuten auf eine skeptische Haltung von Ärzt:innen gegenüber den Zielen der Cannabislegalisierung hin. Bemerkenswert ist die geringe Bereitschaft zur Fortbildung trotz der erwarteten Zunahme von Cannabiskonsumstörungen. Eine Folgestudie kann die tatsächlichen Folgen der Legalisierung mit den erwarteten vergleichen und mögliche Veränderungen im Anamnese- und Beratungsverhalten untersuchen.

Take Home Message für die Praxis: Trotz der großen Verbreitung von Cannabis fragen Ärzt:innen selten gezielt danach. Die geringe Fortbildungsbereitschaft steht im Kontrast zur erwarteten Zunahme von Konsumstörungen. Eine strukturierte Anamnese und Fortbildung zu Cannabis sind daher zu empfehlen.