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59. Kongress für Allgemeinmedizin und Familienmedizin

Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM) e.V.
01.-03.10.2025
Hannover


Meeting Abstract

Wie erleben Patient:innen die Teilnahme an einer RCT zum sozialen Rezept? Ergebnisse der qualitativen Prozessevaluation

Simon Hörmann 1
Lena-Marie Großmann 1
Niklas Jeske 1
Hendrik Napierala 1
Wolfram Joachim Herrmann 1
1Charité – Universitätsmedizin Berlin, Institut für Allgemeinmedizin, Berlin, Deutschland

Text

Hintergrund: Soziale Determinanten von Gesundheit und Wohlbefinden spielen in der hausärztlichen Praxis eine große Rolle. Allerdings gibt es für soziale Probleme in der Primärversorgung in Deutschland derzeit noch keine flächendeckend eingesetzten Interventionen. Eine mögliche Therapiemaßnahme könnte das Soziale Rezept sein, welches bereits seit 2018 vom staatlichen Gesundheitsdienst (NHS) des Vereinigten Königreichs erfolgreich angewendet wird. In einer pragmatischen, randomisiert, kontrollierten multizentrischen Machbarkeitsstudie haben wir das Soziale Rezept mit der üblichen Versorgung (inkl. einer Broschüre mit lokalen Angeboten) verglichen.

Zielsetzung/Fragestellung: Wie erleben die Patient:innen die Teilnahme an der RCT zum Sozialen Rezept?

Material und Methoden: Qualitativ, episodische Interviews mit 20 Patient:innen, die gezielt aus der Interventions- und der Kontrollgruppe rekrutiert wurden und eingewilligt hatten kontaktiert zu werden. Die Interviews wurden aufgezeichnet, transkribiert und pseudonymisiert. Die Analyse erfolgt mittels thematischen Kodierens.

Ergebnisse: Erste Zwischenergebnisse zeigen, dass die Patient:innen der Kontrollgruppe die Broschüre in den meisten Fällen nur überfliegen und anschließend beiseitelegen. Die Patient:innen unterscheiden häufig nicht zwischen sozialen und psychischen Problemen. Bei schweren psychischen Erkrankungen, könnten die Erwartungen von Patient:innen an das soziale Rezept zu hoch sein. Die derzeitige Gesprächsdauer von 45 Minuten könnte für psychisch belastete Menschen zu lang sein. Selbst wenn die teilnehmenden Patient:innen bereits über die lokalen Angebote informiert waren, kann ein persönliches Gespräch die Barrieren zur Inanspruchnahme verringern. Die Verfahren des RCT, wie z.B. die Follow-up-Befragungen, werden von den Teilnehmer:innen gut angenommen. Es gibt keine Anhaltspunkte für eine Kontamination der Kontrollgruppe durch einen Kontakt mit Link-Worker:innen. Jedoch ist es schwierig, die Patienten davon abzuhalten, in Folgeterminen mit den Hausärzt:innen über die Broschüre zu sprechen.

Diskussion: Die Prozessevaluation identifiziert Erklärungsversuche für den potentiellen Wirkmechanismen des Sozialen Rezepts. Wichtige Aspekte des Designs der Machbarkeitsstudie wurden von den Teilnehmern positiv bewertet.

Take Home Message für die Praxis: Das soziale Rezept ist ein innovatives Konzept soziale Gesundheit und Wohlbefinden zu verbessern. Die Ergebnisse der Prozessevaluation können Anhaltspunkte liefern, wie die Intervention an die Bedürfnisse der PatientInnen angepasst werden kann.