Jahrestagung der Gesellschaft für Medizinische Ausbildung
Jahrestagung der Gesellschaft für Medizinische Ausbildung
Erwerb von interdisziplinären Verständnis und Kompetenzen anhand des „moral wicked problem“ zur wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit dem Schwangerschafts(abbruch)
Text
Zielsetzung: Der Beitrag stellt das Konzept für ein interdisziplinäres Seminar zur wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit dem Themenfeld Schwangerschafts(abbruch). Es beleuchtet ethische, politische, psychologische, soziologische, ökonomische und medizinische Aspekte, um unterschiedliche Perspektiven für oder gegen eine Schwangerschaft zu rekonstruieren. Studierende der UW/H aus Medizin, Zahnmedizin, Pflege, Psychologie und Wirtschaft sollen die Einflussfaktoren und mögliche Folgen von Schwangerschaftsentscheidungen verstehen und analysieren.
Lehrkonzept und didaktische Methoden: Siehe Tabelle 1 [Tab. 1].
Tabelle 1: Lehrkonzept und didaktische Methoden
Ergebnisse: In Deutschland gibt es keine verpflichtende curriculare Einbettung des Themas. Studierende können ihr Studium und ihre praktische Ausbildung abschließen, ohne einen Abbruch durchgeführt zu haben. Die frauenärztliche Weiterbildungsordnung setzt keine Durchführung von Abbrüchen voraus, eine Leitlinie für die Behandlung existiert nicht. So kommt in der Praxis oft die Ausschabung statt der schonenderen Vakuumaspiration zum Einsatz [1]. Das Konzept wurde in einem interdisziplinären Team in Zusammenarbeit mit der Initiative Medical Students for Choice entwickelt. Die Umsetzung und Evaluation wird mit einem quantitativen Fragebogen mit offenen Fragen zum Herstellen eines Common Ground und der Einnahme unterschiedlicher Perspektiven erhoben. Die Begleitforschung findet im SoSe25 statt.
Diskussion: Die Vermittlung innerhalb einer interdisziplinären Gruppe zeigt das Spannungsfeld zwischen Medizin, Ethik, Recht, Soziologie und Psychologie [2] und erlaubt eine Perspektivenvielfalt und Einnahme unterschiedlicher disziplinärer Perspektiven, die zu multiprofessioneller Zusammenarbeit befähigen können [3]. Jedoch fehlt es an wissenschaftlich fundierten Lehrkonzepten in Deutschland [1]. Das vorliegende Konzept kann über die Erprobung Ansätze für die Übertragbarkeit auf andere Einrichtungen ermöglichen. Über die Lerninhalte und didaktischen Methoden werden Reflexionsprozesse initiiert, die die Studierenden zur Auseinandersetzung mit dem Thema anregen. Medizinstudierende können so eine begründete Haltung zum Schwangerschaftsabbruch für ihre spätere ärztliche Tätigkeit entwickeln.
Take Home Message: Das Thema Schwangerschaftsabbruch ist nicht nur für Medizinstudierende relevant, sondern kann im interdisziplinären Austausch auf erforderliche Zusammenarbeit in der Praxis hinweisen.
Literatur
[1] Baier A. Weil das ist halt so ein heißer Brei, den will keiner anfassen. In: Fröhlich M, Schütz R, Wolf K, editors. Politiken der Reproduktion. Bielefeld: Transcript; 2022. p.213-228. DOI: 10.14361/9783839452721-014[2] Hoffmann P. Schwangerschaftsabbruch: Statistische, Medizinische, Juristische, Soziologische und Psychologische Aspekte. Wiesbaden: Springer; 2015.
[3] Stüwe T. Alles gut’ gibt es nicht! Die ärztliche Rolle in Entscheidungsprozessen zu Pränataldiagnostik. In: Fröhlich M, Schütz R, Wolf K, editors. Politiken der Reproduktion. Bielefeld: Transcript; 2022. p.229-242. DOI: 10.1515/9783839452721-015