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59. Kongress für Allgemeinmedizin und Familienmedizin

Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM) e.V.
01.-03.10.2025
Hannover


Meeting Abstract

Wie erleben Angehörige den Verlust einer nahestehenden, unheilbar erkrankten Person in den ersten Monaten der Trauer und was sind die langfristigen psychischen Folgen?

Anneke Ullrich 1
Jan Herzog 1
Birgit Wulff 2
Carsten Bokemeyer 1
Karin Oechsle 1
1Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, II. Medizinische Klinik, Palliativmedizin, Hamburg, Deutschland
2Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Institut für Rechtsmedizin, Hamburg, Deutschland

Text

Hintergrund: Die ersten Monate nach dem Tod eines nahestehenden Menschen sind geprägt von tiefer Trauer und organisatorischen Herausforderungen. Während sich viele Angehörige im Zeitverlauf an das Leben ohne die verstorbene Person anpassen, entwickeln einige Betroffene langfristige psychische Beeinträchtigungen. Die Trauer von Angehörigen nach dem Versterben einer unheilbar erkrankten Person in der Palliativversorgung ist bisher wenig untersucht.

Zielsetzung/Fragestellung: Untersuchung des Trauererlebens, der Unterstützungsbedarfe und langfristiger psychischer Folgen in dieser Angehörigengruppe.

Material und Methoden: In einer Querschnittsstudie wurden 205 Angehörige, deren nahestehende Person 0,5–6 Jahre zuvor auf einer Palliativstation verstorben war, retrospektiv zu den ersten drei Trauermonaten (u.a. zu Barrieren, Unterstützungsquellen und professionellem Hilfebedarf) sowie prospektiv zu Symptomen von Depression, Posttraumatischer Belastungsstörung (PTBS) und komplizierten Trauerreaktionen mittels standardisierter Fragebögen befragt. Die Auswertung erfolgte deskriptiv und regressionsanalytisch.

Ergebnisse: Häufig berichtete lebensweltliche Veränderungen waren Einsamkeit/soziale Isolation (51%), gesteigerte Verantwortung (28%) und der Verlust gemeinsamer Freundschaften (19%). In der frühen Trauerphase erschwerten insbesondere bürokratische Hürden, fehlende Informationen/Ansprechpersonen und geringe gemeinschaftliche Unterstützung das Trauererleben. Als besonders hilfreich wurden Familie/Freund:innen, Bestattungsdienste sowie Nachsorge durch das Palliativteam eingeschätzt (durchschnittlich 8 von 11 Punkten). Professionelle psychosoziale Angebote nutzten 13–18%. In 52% der Fälle hatten Verstorbene ihre Beerdigung geplant – dieser Faktor verbesserte das Unterstützungserleben der Angehörigen in der frühen Trauerphase signifikant. Im Mittel 2,6 Jahre nach dem Verlust zeigten 37% der Angehörigen Hinweise auf mindestens eine psychische Störung, am häufigsten auf eine komplizierte Trauerreaktion (29%), gefolgt von Depression (23%) und PTBS (15%).

Diskussion: Eine vorausschauende Planung der Bestattung entlastet Angehörige und sollte stärker in die Palliativversorgung integriert werden. Langfristige psychische Belastungen können die soziale Teilhabe und Lebensqualität einschränken; hier kann die psychosomatischen Grundversorgung durch Hausärzt:innen unterstützen.

Take Home Message für die Praxis: Vorausschauende Bestattungsplanung sowie eine gezielte Nachsorge durch vertraute Versorgende/Behandelnde können dazu beitragen, Angehörige in der frühen Trauerphase wirksam zu unterstützen.