59. Kongress für Allgemeinmedizin und Familienmedizin
59. Kongress für Allgemeinmedizin und Familienmedizin
Kritisches Denken bei der Entscheidungsfindung in der hausärztlichen Praxis
Text
Hintergrund: In der Hausärztlichen Praxis (HÄP) werden täglich zahlreiche Entscheidungen getroffen. Aufgrund des Niedrigprävalenzbereiches und begrenzter Diagnostikmöglichkeiten sind Hausärzt:innen besonderen Herausforderungen in der Entscheidungsfindung konfrontiert. Kritisches Denken spielt eine wichtige Rolle im Abwägungsprozess zwischen verschiedenen Quellen und Meinungen. Die Vermittlung allgemeinmedizinischer Entscheidungsprozesse im Medizinstudium und ärztlicher Weiterbildunggebietet einen wertvollen Ansatz, die klinische Praxis gezielt zu unterstützen und weiterzuentwickeln.
Zielsetzung/Fragestellung: Wie wird kritisches Denken von Ärzt:innen in Weiterbildung (ÄiW) angewandt und wie wird dies mit Patient:innen kommuniziert?
Material und Methoden: ÄiW für Allgemeinmedizin wurden anhand eines selbst entwickelten Leitfadens in Video- und Präsenz-Interviews semi-strukturiert befragt. Die Aussagen wurden Wort für Wort transkribiert und unabhängig von verschiedenen wissenschaftlichen Mitarbeitenden inhaltsanalytisch in Anlehnung an Kuckartz kategorisiert. Die durchschnittliche Interviewdauer lag bei 50 (min. 36, max. 59) Minuten.
Ergebnisse: Die Teilnehmenden (TN) greifen zur Entscheidungsfindung auf unterschiedliche Informationsquellen zurück. Häufig werden ausgewählte Internetseiten, Leitlinien sowie die Meinung der Weiterbildenden genannt. Die eigene gesammelte Erfahrung und Intuition spielt im Laufe der Weiterbildung eine zunehmende Rolle. Die partizipative Entscheidungsfindung findet unter den TN breite Anwendung. Die Abwägung zwischen verschiedenen Informationsquellen, unterschiedlichen Meinungen und Patient:innenpräferenz stellt eine große Herausforderung für ÄiW dar. Alle TN wünschen sich eine stärkere Förderung kritischen Denkens im Studium und in der Weiterbildung.
Zum Zeitpunkt der Einreichung war die Datenerhebung noch nicht vollständig abgeschlossen.
Diskussion: ÄiW werden durch das Studium und während stationärer Weiterbildung nicht ausreichend auf die Entscheidungsprozesse im ambulanten Bereich sowie eigenständiges Arbeiten in der HÄP vorbereitet. Mit einer longitudinalen Integration von kritischem Denken in der Aus- und Weiterbildung kann die ärztliche Entscheidungsfindung nachhaltig verbessert werden.
Take Home Message für die Praxis: Kritisches Denken führt zur fundierten Entscheidungsfindung und ist eine Schlüsselkompetenz von Hausärzt:innen, die besonderer Aufmerksamkeit während der Aus- und Weiterbildung von Mediziner:innen bedarf.