59. Kongress für Allgemeinmedizin und Familienmedizin
59. Kongress für Allgemeinmedizin und Familienmedizin
Kopfkino: Phasen der Quarantäne bei asymptomatischen SARS-CoV-2-Trägern in Deutschland
2Universitätsklinikum Heidelberg, Zentrum für Infektiologie/Infektions- und Tropenmedizin, Heidelberg, Deutschland
3Universität Heidelberg, Deutsches Zentrum für Infektionsforschung, Heidelberg, Deutschland
4International Health Department, Johns Hopkins Bloomberg School of Public Health, USA
Text
Hintergrund: Asymptomatische SARS-CoV-2-Diagnosen machen 44% der Infektionen aus und tragen zu 24% der Übertragungen bei. Trotz ihrer zentralen Rolle in der Pandemiedynamik sind die Erfahrungen dieser Personengruppe bislang wenig erforscht. Diese Studie untersucht die persönlichen Erfahrungen im Zusammenhang mit einer unerwarteten SARS-CoV-2-Diagnose und der anschließenden Quarantäne in Deutschland während der zweiten Pandemiewelle.
Zielsetzung/Fragestellung: Ein besseres Verständnis der Erfahrungen von speziell asymptomatischen Patient:innen in Quarantäne zu schaffe, um hieraus die Unterstützung und Versorgung zielgenauer anpassen zu können.
Material und Methoden: Im Rahmen zweier größerer COVID-19-Teststudien wurden semi-strukturierte Tiefeninterviews (n=22) telefonisch oder per Videotelefonie durchgeführt. TeilnehmerInnen mussten zum Zeitpunkt der Testdurchführung asymptomatisch gewesen sein. Die Auswahl erfolgte gezielt nach positivem Testergebnis ausgewählt, woraus sich eine heterogene Verteilung hinsichtlich Alter, Geschlecht und sozioökonomischem Hintergrund ergab. Die Interviews wurden aufgezeichnet, wörtlich transkribiert und mittels Framework-Analyse ausgewertet. Die Studie fand während der zweiten Welle der Corona Pandemie in Heidelberg und der umliegenden Rhein-Neckar-Region statt.
Ergebnisse: Aus den Daten wurde das „SARS-CoV-2-Peaks and Valleys Model“ entwickelt, das fünf emotionalen Phasen beschreibt: 1) Urvertrauen in den negativen Status – TeilnehmerInnen hielten eine Infektion auf Grund von präventiver Maßnahmen für nahezu ausgeschlossen; 2) Schock und Leugnung – geprägt von Unglauben und dem Hinterfragen von Präventionsmaßnahmen; 3) Akzeptanz und neue Fragestellungen – insbesondere zu Quarantänelogistik, persönlicher Gesundheit und sozialen Interaktionen; 4) Durchhalten in der Quarantäne – beschrieben als Gefühl des Eingesperrtseins; 5) Zurückhaltung in der Freude – geprägt von dem Gefühl der Befreiung, aber auch durch die Besorgnis über mögliche Ansteckungsgefahr und soziale Stigmatisierung.
Diskussion: Die Studie zeigt universelle chronologische Phasen unabhängig von soziodemografischen Faktoren. Das entwickelte „Peaks and Valleys“-Modell erweitert bestehende Phasenmodelle durch Berücksichtigung individueller Belastungsintensitäten
Take Home Message für die Praxis: Ein phasenadaptiertes Vorgehen zur Unterstützungen von asymptomatischen COVID-19-Patient:innen in Quarantäne kann hilfreich sein um Patient:innen gezielt und patientengerecht zu errichen. Dieses Modell kann in Zukunft eventuell auch auf weitere Infektionserkrankungen übertragen werden.