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59. Kongress für Allgemeinmedizin und Familienmedizin

Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM) e.V.
01.-03.10.2025
Hannover


Meeting Abstract

Beim Typ-2-Diabetes unter intensivierter Insulintherapie wird Basalinsulin tagsüber nur selten benötigt: Evidenz aus einer standardisierten Glukosekontrolle bei 517 Personen mit Entgleisung des Glukosestoffwechsels

Bernardo Mertes 1
Sybille Gödde 1
Nadine Kuniß 2
Guido Kramer 2
Christof Kloos 2
Frank Möller 3
Til Uebel 4
1MVZ CCB, Abteilung für Diabetes, Neuropathie und Fußsyndrom, Deutschland
2Universitätsklinikum Jena, Klinik für Innere Medizin III, Fachbereich Endokrinologie und Stoffwechselerkrankungen, Jena, Deutschland
3Helios Klinikum Meiningen, Innere Medizin I, Meiningen, Deutschland
4Universitätsklinikum Würzburg, Institut für Allgemeinmedizin, Würzburg, Deutschland

Text

Hintergrund: Beim Typ-2-Diabetes (T2D) kann eine intensivierte Insulintherapie (IIT) indiziert sein. Bei absolutem Insulinmangel muss neben Bolus- auch Basalinsulin verabreicht werden. Personen mit T2D entwickeln jedoch selten einen absoluten Insulinmangel. Dennoch wird regelhaft Basalinsulin verordnet. Es fehlen systematische Untersuchungen zur Klärung, wie viele Personen mit T2D unter IIT Basalinsulin benötigen.

Zielsetzung/Fragestellung: Wie viele Personen mit T2D und IIT benötigen Basalinsulin?

Material und Methoden: Bei 517 Personen mit T2D (Alter 59,3±12,5 Jahre, Diabetesdauer 9,3±8,9 Jahre, BMI 31,1±7kg/m², HbA1c 10,5±1,6%) wurde nach leitliniengerechter Anpassung oraler Antidiabetika (OAD) und GLP-1-Rezeptoragonisten (GLP-1-RA) eine IIT mit Normalinsulin und gewichtsadaptiertem Intermediärinsulin (NPH-Insulin) zur Nacht (0,11 IE/kg) eingeleitet. Basalinsuline (Degludec, Detemir, Glargin) wurden abgesetzt. Es folgte eine standardisierte Glukosekontrolle im Fastenzustand: Einnahme einer definierten Rohkostportion (200 g Tomate, Karotte, Gurke, Paprika), Verabreichung von OAD bzw. GLP-1-RA, anschließend Messung der Blutglukose um 8, 10, 12 und 14 Uhr ohne körperliche Aktivität. Ein Anstieg der Blutglukose zwischen 8 und 14 Uhr um ≥2 mmol/l wurde als klinisch relevant bewertet. Personen unter Sulfonylharnstofftherapie wurden ausgeschlossen.

Ergebnisse: Bei 6,6% (n=34) stieg die Blutglukose klinisch relevant von 7,5±2,1 um 3,7±1,6 mmol/l an. Bei 93,4% (n=483) fiel sie dagegen leicht von 8,5±2,2 um -1,1±1,6mmol/l ab. Hypoglykämien traten nicht auf. Eine adjustierte Analyse zeigte, dass höhere 8-Uhr-Werte und eine kürzere Diabetesdauer mit einem stärkeren Abfall der Blutglukose assoziiert waren.

Diskussion: Nur 6,6% der Personen zeigten ohne Basalinsulin einen klinisch relevanten Glukoseanstieg. Bei der großen Mehrheit blieb die Glukose ohne Basalinsulin jedoch konstant. Höhere 8-Uhr-Werte und kürzere Diabetesdauer waren mit einem leichten Blutglukoseabfall assoziiert. Die regelhafte Verordnung von Basalinsulin erscheint daher bei den meisten Personen mit T2D und IIT nicht indiziert und könnte das Risiko für Hypoglykämien erhöhen.

Take Home Message für die Praxis: Die Indikation für Basalinsulin sollte bei Personen mit T2D und IIT stets kritisch überprüft werden. Eine Therapie-Deeskalation mit gewichtsadaptiertem Intermediärinsulin zur Nacht ist in der Mehrheit der Fälle ausreichend und sicher.