59. Kongress für Allgemeinmedizin und Familienmedizin
59. Kongress für Allgemeinmedizin und Familienmedizin
Von der Patienten – zur Personenzentrierung: Rekonstruktion der Entwicklung der S-1-Handlungsempfehlung zur Erstanamnese der DEGAM
2Universität Düsseldorf, Institut für Allgemeinmedizin, Düsseldorf, Deutschland
Text
Hintergrund: Allgemeinmedizin ist Beziehungsmedizin – denn: „Allgemeinmedizin ist spezialisiert auf den ganzen Menschen“ (1). Während die DEGAM die Professionalisierung der Allgemeinmedizin mit beschwerdebezogenen Leitlinien vorantrieb, standen Beziehungs- und Gesprächsgestaltung zurück. Dennoch entstand 2013 eine Initiative, die in mehrjähriger Entwicklung erst eine Praxisempfehlung zur hausärztlichen Erstanamnese und dann S1-Leitlinie der AWMF erstellte (2).
Zielsetzung/Fragestellung: Der zeichnet die Entwicklung und die Akzentverschiebung von der Patienten- zur Personenzentrierung nach.
Material und Methoden: Zur Wissensgewinnung und -aufbereitung wurden Expertendiskussionen, Fallvorstellungen in der Gruppe auf Basis videodokumentierter Gespräche, sequentielle Analyse ausgewählter Passagen unter Beteiligung von Behandelnden und Forschenden, vergleichende Analysen kontrastierender Fälle, gezielte Literatursichtung, Verdichtung zu Empfehlungen und Peer Review genutzt.
Ergebnisse: Es entstand eine modulare Ablaufstruktur für Erstgespräche, die anlass- und situationsbezogen unterschiedlich intensiv ausgestaltet werden kann und für Erstgespräche – modifiziert auch für andere Gespräche – nutzbar ist.
Die Grundstruktur war früh angelegt, Erkenntnisse aus gezielter Auswertung von Anwendungsgesprächen ermöglichten Erweiterungen & Detaillierungen bzgl. der Gestaltung der Rahmenbedingungen und der Orientierung an Möglichkeiten & Zielen von Ratsuchenden wie Gesprächsführenden. Der Gesamtprozess erscheint als Entwicklung von einer Patienten- zur Personenzentrierung, die auch die Person der Behandelnden in den Blick rückt.
Diskussion: Die projektierte Leitlinie für die Gesprächsführung stieß zunächst auf Vorbehalte: zu verschieden seien die Situationen, Übergreifendes kaum formulierbar. Die entwickelte Antwort führt insbesondere die Allgemeinmediziner als Personen ein und schlägt das von Mezzich formulierte Verständnis von personenzentrierter Medizin als „promoting the care of the person (…), for the person (…), by the person (…) and with the person (…)” (3) vor, das in der aktuellen Diskussion eher als Leiden („burnout“) denn als Kompetenz zum Tragen kommt. Eine Orientierung an der Leitlinie könnte der Förderung von „Patienten“-versorgung und professioneller Identität der Versorgenden nützen. Inwieweit dies praktiziert und umgesetzt wird, sollten künftige Forschungsprojekte eruieren.
Take Home Message für die Praxis: Personenzentrierte Medizin ist
- dialogisch
- prozessorientiert
- (selbst-)reflexiv
- bezogen auf gemeinsam vereinbarte Zielen und
- berücksichtigt die konkreten Kontextbedingen