59. Kongress für Allgemeinmedizin und Familienmedizin
59. Kongress für Allgemeinmedizin und Familienmedizin
Versichertenstatus und Intensität der Hausarzt-Bindung
Text
Hintergrund: In Deutschland gibt es zwei Wege, sich gegen Krankheit zu versichern: PKV und GKV. Privatversicherte berichten über weniger Krankheitslast, erhalten eher einen Konsultations-Termin und fühlen sich gesundheitlich wohler. Demgegenüber führt eine stark primärversorgende (koordinierende) Rolle eines Hausarztes bzw. einer Hausärztin für alle Versicherten zu einer größeren Zufriedenheit mit der Versorgung und verbessert gesundheitliche Outcomes.
Zielsetzung/Fragestellung: Untersucht wurde der Zusammenhang von Versicherungsstatus, Inanspruchnahme verschiedener Versorgungsbereiche (ambulant, stationär, Notaufnahme) und der Intensität der Hausarzt-Bindung.
Material und Methoden: Erwachsene Personen aus Hamburg (n=16.411), ≥45 Jahre, wurden für die HCH-Studie (Jagodzinski et al., 2020) rekrutiert und einem medizinisch-psychologisch-sozialwissenschaftlichem Assessment unterzogen. Letzteres bezog den Fragebogen zur Intensität der Hausarzt-Bindung (F-HaBi) ein, die Inanspruchnahme von Versorgungsbereichen, selbst eingeschätzte Krankheitslast und weitere Selbstauskunftsbögen wie den EQ5D.
Ergebnisse: Teilnehmende mit einem ausgefüllten F-HaBi (n=7.835) waren zu 18,9% privat (n=1.479) und zu 81,1% gesetzlich versichert (n=6.356). Feste Hausärzte hatten 82,3% der Privat- und 94,0% der gesetzlich Versicherten (p<0,001), die im Schnitt 2,9 mal (PKV) bzw. 3,5 mal pro Jahr (GKV) aufgesucht wurde (p<0,001). Bezogen auf die Intensität ihrer Bindung an die hausärztliche Versorgung (Range von 6–30 Punkten) lagen Versicherte der PKV im Mittel bei 20,9 Punkten, während Versicherte in der GKV 23,8 Punkten aufwiesen (p<0,001).
Ein Regressions-Modell ergab für beide Gruppen eine stärker ausgeprägte Hausarztbindung bei häufigeren Besuchen pro Jahr in der HA-Praxis, eine schwächer ausgeprägte Bindung, je häufiger Gebietsärzte aufgesucht wurden. Die Bindung war in beiden Versichertengruppen höher, wenn die Krankheitslast höher lag. Beiden Gruppen zeigten eine geringere Bindung, wenn es sich um Personen mit einem hohen Bildungsabschluss handelt.
Diskussion: Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass der Bedarf sich mit einer ärztlichen Ansprechperson auszutauschen und den Behandlungsweg abzustimmen, mit der Krankheitslast assoziiert ist – unabhängig vom Versichertenstatus. Die Hausarzt-Bindung Privatversicherter ist mit der Krankheitslast assoziiert.
Take Home Message für die Praxis: Hausärztinnen und Hausärzte sind für die Teilnehmenden der HCH-Studie wichtige Ansprechpersonen für Privatversicherte, um die Versorgung zu koordinieren, vor allem dann, wenn die Krankheitslast höher ist.