59. Kongress für Allgemeinmedizin und Familienmedizin
59. Kongress für Allgemeinmedizin und Familienmedizin
Erfolgsfaktoren für die Implementierung eines Qualitätssiegels für nachhaltige Praxen: eine qualitative Studie mit Ärzt:innen und medizinischen Fachangestellten
Text
Hintergrund: Die Klimakrise bedroht die Gesundheit, während das Gesundheitssystem selbst rund 4,4% der globalen Emissionen verursacht. Eine nachhaltige Ausrichtung der medizinischen Versorgung ist daher zentral. Die ambulante Versorgung wurde bisher wenig berücksichtigt. Das aQua-Institut entwickelte ein Indikatorenset, welches Praxen mit dem „Qualitätssiegel Nachhaltige Praxis“ zertifiziert. Bislang fehlen Erkenntnisse zur praktischen Umsetzung und Akzeptanz der Indikatoren beim medizinischen Personal.
Zielsetzung/Fragestellung: Die Studie untersucht, welche Faktoren die Implementierung der Indikatoren des Qualitätssiegels fördern oder behindern. Im Fokus stehen die Perspektiven der Ärzt:innen und Medizinischer Fachangestellten (MFA). Zudem wird die wahrgenommene Nützlichkeit einzelner Indikatoren und Beweggründe für die Teilnahme erfasst.
Material und Methoden: Es wurde eine qualitative Querschnittsstudie mit 22 semi-strukturierten Einzelinterviews mit Ärzt:innen und MFA aus zertifizierten Praxen durchgeführt. Die Auswertung erfolgte mittels Qualitativer Inhaltsanalyse nach Kuckartz. Die Kategorien wurden im Analyseprogramm MAXQDA teils deduktiv anhand des Implementierungsframeworks von Chaudoir, teils induktiv aus den Daten gebildet.
Ergebnisse: Aus Sicht der Teilnehmer:innen wirkten sich gute Kommunikationsstrukturen im Team und mit Patient:innen positiv auf die Umsetzung aus. Förderlich wurden ebenfalls eine hohe Motivation sowie die aktive Einbindung des gesamten Teams genannt. Als hilfreich wurde zudem ein finanzieller Anreiz wahrgenommen. Die CO2-Fußabdruckberechnung wurde als weniger nützlich beurteilt, da sie zu komplex erschien und praktikable Lösungen fehlten. Auch patientenbezogene Kommunikation etwa im Rahmen von Hitzeschutzplänen wurde als herausfordernd erlebt, da Risikopatient:innen schwer erreichbar seien.
Diskussion: Die Indikatoren wurden überwiegend als machbar empfunden. Eine positive Teamdynamik und gemeinsame Motivation scheinen besonders förderlich zu sein. Für bestimmte Indikatoren, wie die CO2-Fußabdruckberechnung der Praxis, sollten niedrigschwellige Umsetzungshilfen zur Verfügung gestellt werden.
Take Home Message für die Praxis: Das Indikatorenset scheint weitgehend umsetzbar, wobei insbesondere bei der Berechnung der CO2-Emissionen noch praktikablere Lösungen angeboten werden sollten. Die gewonnenen Erkenntnisse bieten eine evidenzbasierte Grundlage, um gezielte Unterstützungsangebote zu entwickeln, die hausärztliche Praxen dabei unterstützen, sich an die Herausforderungen der Klimakrise anzupassen und ihre Versorgung nachhaltig zu gestalten.