59. Kongress für Allgemeinmedizin und Familienmedizin
59. Kongress für Allgemeinmedizin und Familienmedizin
Relevanz, Hürden und Umsetzbarkeit von Handlungsempfehlungen zur ökologischen Nachhaltigkeit in Hausarztpraxen: eine Mixed-methods-Studie
Text
Hintergrund: Klimaschutz ist Gesundheitsschutz, dennoch verursacht der Gesundheitssektor 5,2% der Treibhausgasemissionen in Deutschland. Es gibt eine Vielzahl von Empfehlungen für ein klimafreundliches Handeln im stationären und ambulanten Sektor. Aber wenig ist bekannt über die Praktikabilität und Relevanz dieser Handlungsempfehlungen aus Sicht potentieller Anwender:innen.
Zielsetzung/Fragestellung: Systematisch recherchierte Handlungsempfehlungen (HE) für ökologische Nachhaltigkeit wurden hinsichtlich Chancen/Hürden sowie Relevanz und Umsetzbarkeit durch Hausärzt:innen und Medizinische Fachangestellte evaluiert.
Material und Methoden: Für die Bewertung von Chancen und Hürden sowie Relevanz und Umsetzbarkeit der Handlungsempfehlungen wurde ein Mixed-methods-Ansatz gewählt. Handlungsempfehlungen mit dem größten CO2-Einsparpotential wurden mit Hilfe einer Fokusgruppe evaluiert. Die Auswertung erfolgte durch eine qualitative Inhaltsanalyse. Die weiteren Handlungsempfehlungen wurden durch ein Online-Fragebogen, mit den gleichen Teilnehmenden und Dimensionen, bewertet. Die Auswertung erfolgte deskriptiv durch Häufigkeiten
Ergebnisse: Die Einschätzung von Chancen/Hürden sowie Relevanz und Umsetzbarkeit erfolgte durch 8 Teilnehmende der Fokusgruppe und durch 6 Teilnehmende an der Online-Befragung. In der Fokusgruppe konnten 17 Handlungsempfehlungen und in der Online-Befragung 73 Handlungsempfehlungen bewertet werden. Die Mehrheit der Teilnehmenden hob die Co-Benefits für Patientengesundheit und Umwelt als Chance hervor. Barrieren wurden in: Zeitmangel, Mangel an Wissen/Bewusstsein und politischen Rahmenbedingungen/gesetzlichen Regelungen gesehen. Die Umsetzbarkeit der Maßnahmen konnte überwiegend als „leicht“ oder „mittel“ eingeschätzt werden.
Diskussion: Es herrscht eine Diskrepanz zwischen der Einschätzung der Relevanz/Wichtigkeit von Klimaschutzmaßnahmen und der konkreten Einführung, bzw. Umsetzung von Maßnahmen im Praxisalltag. Die Diskrepanz ergibt sich aus einer Vielzahl an wahrgenommenen Hürden: fehlende Bewusstsein und Vergütung sowie fehlende (gesundheits-)politische Strategien und Gesetzgebung sowie einer mangelnden Daten bzgl. konkreten CO2-Emissionen.
Take Home Message für die Praxis: Ökologische Nachhaltigkeit hat ein enormes Potenzial für die gesamte Primärversorgung: durch gesundheitliche Co-Benefits werden Patientengesundheit und Umwelt geschützt. Zusätzlich werden wichtige Querschnittsbereiche berührt: Patientensicherheit, Qualitätsmanagement, evidenzbasierte Medizin und Kosteneffizienz. Dies führt zur Entlastung von Ärzt:innen und dem Gesundheitssystem.