59. Kongress für Allgemeinmedizin und Familienmedizin
59. Kongress für Allgemeinmedizin und Familienmedizin
Best-Practice-Kriterien für interprofessionelle Teams in der Primärversorgung – eine qualitative Interviewstudie mit Hausärztinnen und Hausärzten sowie anderen Gesundheitsberufen aus Bayern
2Bayerischer Hausärzteverband e.V., Deutschland
Text
Hintergrund: In Deutschland steht aufgrund des demografischen Wandels und einer alternden Ärzteschaft ein Mangel an Hausärztinnen und Hausärzten bevor. Konzepte, die auch zukünftig die hausärztliche Versorgung sicherstellen, sind notwendig, um dieser Herausforderung zu begegnen.
Zielsetzung/Fragestellung: Welche Best-Practice-Kriterien teambasierter Konzepte in der hausärztlichen Versorgung können aus der Perspektive Leistungserbringender identifiziert werden?
Material und Methoden: Es wurden 15 Einzelinterviews geführt (durchschnittliches Alter=36,13 Jahre, 66,67% weiblich): Befragt wurden Ärztinnen und Ärzte in Weiterbildung (n=6), angestellte oder selbstständige Hausärztinnen und Hausärzte (n=4), Medizinische Fachangestellte (n=1), Primary Care Management- oder Physician Assistant-Studierende (n=3) sowie weitere Gesundheitsberufe (n=1). Die Interviews wurden wortwörtlich transkribiert und anhand eines deduktiven Kategoriensystems basierend auf Literaturrecherche und Fokusgruppen codiert sowie qualitativ-inhaltsanalytisch nach der Framework-Methode ausgewertet.
Ergebnisse: Die Teilnehmenden betonen eine personenzentrierte und kontinuierliche Versorgung und heben die Bedeutung vertrauensvoller Beziehungen durch ausreichend Zeit mit Patientinnen und Patienten hervor. Sie betrachten die interprofessionelle, teamorientierte Versorgung als vorteilhaft für chronisch Erkrankte und sozioökonomisch Benachteiligte. Als Best-Practice-Beispiele der Primärversorgung gelten den Interviewten zufolge Modelle mit hausarztzentrierter Versorgung und Gatekeeping, einem hohen Grad an Digitalisierung, der Zusammenarbeit mit nicht-ärztlichen Gesundheitsberufen und klar definierten Rollen in interprofessionellen Teams. Zur Evaluation von Versorgungsmodellen sollen die Patienten-Perspektive sowie die Zufriedenheit des Praxispersonals und die Teamleistung als Messgrößen berücksichtigt werden.
Diskussion: Unsere Ergebnisse zeigen, dass Merkmale guter hausärztlicher Versorgung durch interprofessionelle Teamarbeit mit klaren Rollenanforderungen gestärkt werden können. Faktoren wie faire Vergütung und Digitalisierung sind Best-Practice-Kriterien und entscheidende Rahmenbedingungen für eine wertorientierte hausärztliche Versorgungspraxis.
Take Home Message für die Praxis: Eine hausarztzentrierte Primärversorgung mit interprofessionellen Teams, klarer Rollenverteilungen, fairer Vergütung und einem hohen Grad an Digitalisierung kann eine personenorientierte und kontinuierliche Versorgungspraxis unterstützen. Diese Aspekte sollen in einer Pilotstudie evaluiert werden.