59. Kongress für Allgemeinmedizin und Familienmedizin
59. Kongress für Allgemeinmedizin und Familienmedizin
Proaktive hausärztliche Betreuung vulnerabler, ambulant ohne Unterstützung lebender Senior:innen zur Früherkennung und Abwendung gesundheitsrelevanter Risiken während Hitzewellen
2Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, Institut für Allgemeinmedizin, Centre for Health and Society (chs), Medizinische Fakultät, Düsseldorf, Deutschland
Text
Hintergrund: Das Gesundheitssystem wird künftig stärker mit den gesundheitlichen Folgen klimabedingter, anhaltender Hitzewellen konfrontiert. Besonders gefährdet durch hitzebedingte Komplikationen sind ältere, alleinlebende Menschen mit Vorerkrankungen. Bei zu Hause lebenden, vulnerablen Senior:innen ohne ambulante oder stationäre Unterstützung werden akute Gesundheitsgefahren durch Hitze unter Umständen nicht rechtzeitig erkannt und bleiben unbehandelt. Gleichzeitig besteht zu Hausärzt:innen sowie Medizinischen Fachangestellten (MFA) meist eine langjährige, vertrauensvolle Beziehung.
Zielsetzung/Fragestellung: Die Gefährdung durch Hitzewellen sowie das Potenzial einer proaktiven Kontaktaufnahme durch die Hausarztpraxisteams bei älteren Patient:innen ohne regelmäßige Pflege-Unterstützung wurden aus Perspektive der Patient:innen und der behandelnden Hausarztpraxisteams untersucht.
Material und Methoden: In 7 Hausarztpraxen (HAP) aus vorab identifizierten hitzeanfälligen Stadtgebieten in zwei Städten im Ruhrgebiet wurden qualitative Interviews mit Hausärzt:innen (n=7), MFAs (n=7) und Patient:innen (n=7) durchgeführt. Die Gespräche wurden aufgezeichnet, transkribiert und inhaltsanalytisch fallbezogen in multiprofessionellen Gruppen ausgewertet.
Ergebnisse: Hitze gewinnt in der hausärztlichen Praxis zunehmend an Bedeutung, gleichzeitig berichten Patient:innen von einer spürbaren Belastung im Alltag und einer eingeschränkten Lebensqualität aufgrund der länger werdenden Hitzeperioden.
Proaktive präventive Maßnahmen zum Hitzeschutz werden von HAP-Teams als sinnvoll bewertet, einer Umsetzung stehen Personalmangel, fehlende Vergütungsstrukturen und datenschutzrechtliche Bedenken im Wege. Basismaßnahmen zur Hitzekompetenz werden von Patient:innen eigenständig umgesetzt; dennoch mangelt es zum Teil am Bewusstsein für Risiken extremer Hitze. Patient:innen äußern großes Vertrauen in ihre HAP-Teams, suchen diese bei hitzebedingten Beschwerden jedoch nur im äußersten Notfall auf.
Diskussion: Ein proaktives Zugehen durch geschulte Klima-MFAs erscheint sinnvoll, um vulnerable Patient:innen frühzeitig zu erreichen. Sie könnten Risiken besser einschätzen, Hitzeschutzempfehlungen vermitteln und so zur Prävention beitragen – vorausgesetzt, es bestehen klare Strukturen und Schulungsangebote.
Take Home Message für die Praxis: Die Ergebnisse zeigen die Notwendigkeit einer besseren Aufklärung von hitzegefährdeten Patientengruppen und einer gezielten Unterstützung durch HAP im Kontext zunehmender Hitzebelastungen auf. Für HAP bedarf es praxisorientierter Präventionskonzepte.