59. Kongress für Allgemeinmedizin und Familienmedizin
59. Kongress für Allgemeinmedizin und Familienmedizin
Der Verlauf eines akuten Gichtanfalls mit und ohne Behandlung: Systematische Übersichtsarbeit und Metaanalyse
2Medizinische Fakultät Münster, Epidemiologie und Sozialmedizin, Münster, Deutschland
3Technische Universität München, Allgemeinmedizin, München, Deutschland
Text
Hintergrund: Gicht ist eine häufige Form der entzündlichen Arthritis, die mit unterschiedlichen Therapien behandelt wird, deren Wirksamkeit bisher nicht umfassend verglichen wurde.
Zielsetzung/Fragestellung: Ziel dieser Arbeit ist es, den Schmerzverlauf im akuten Gichtanfall unter aktiver sowie inaktiver Therapie (einschließlich Placebo) darzustellen und zu untersuchen, ob die Schmerzverläufe sich nach Therapien unterscheiden.
Material und Methoden: Es erfolgte eine systematische Suche in MEDLINE, Embase und Cochrane CENTRAL nach Studien, die Schmerzen im akuten Gichtanfall unter jeglicher Behandlung berichteten. Studienauswahl, Datenextraktion und Qualitätsbewertung erfolgte von zwei unabhängigen Reviewer:innen; Konflikte wurden im Konsens geklärt. Es erfolgte eine grafische Darstellung des Schmerzes über den gesamten Zeitverlauf und eine Metaanalyse der Schmerzreduktion zwischen den Tagen 0 und 2. Zur Berücksichtigung potentieller Ursachen der Heterogenität wurden ergänzend Subgruppenanalysen vorgenommen.
Ergebnisse: Wir schlossen 73 Studien in die narrative Übersicht ein, von denen 29 quantitativ zusammengefasst werden konnten, 11 Studien rekrutierten im ambulanten Setting. Der Schmerzverlauf zeigte in allen Studien eine Abnahme der Schmerzen von einem Ausgangswert von 3–10 Punkten auf der numerischen Bewertungsskala auf 0–3 Punkte am Tag 10. Die Studien mit aktiven Wirkstoffen (N=28) zeigten überwiegend einen exponentiellen Rückgang mit deutlicher Schmerzreduktion von Tag 0 bis Tag 2, gefolgt von einer langsameren Abnahme. Im Vergleich war der Verlauf in Studien mit Gruppen ohne Behandlung (N=2) eher linearer und flacher. Die gepoolten Analysen zeigten eine Schmerzreduktion um etwa 3 Punkte zum Tag 2 und wiesen eine hohe Heterogenität auf. Die ausgeprägte Rest-Heterogenität zeigte sich auch in den Subgruppenanalysen.
Diskussion: Aktive Wirkstoffe führen im akuten Gichtanfall zu einer raschen Schmerzlinderung innerhalb von 2 Tagen. Es existieren wenige Daten zum Verlauf unter inaktiven Therapien, diese deuten jedoch auf einen langsameren Rückgang hin. Es fehlen Studien von hoher Qualität, um die Bewertung alternativer Therapien wie Kryotherapie und traditioneller, chinesischer Medizin zu ermöglichen.
Take Home Message für die Praxis: Der Einsatz leitliniengerechter Therapiemöglichkeiten führt zu einer rapiden Schmerzlinderung bei akuter Gicht; ob eine ähnliche Wirkung mittels alternativer Therapien erreichbar ist, bleibt aufgrund fehlender Evidenz unsicher. Die Therapieauswahl sollte individuell unter Berücksichtigung von Komorbiditäten und Patientenpräferenzen erfolgen.