59. Kongress für Allgemeinmedizin und Familienmedizin
59. Kongress für Allgemeinmedizin und Familienmedizin
Auswirkung der Gefahr von Arzthaftungsverfahren auf die Tätigkeit von niedergelassenen Hausärztinnen und Hausärzten – eine bundesweite Befragung
2TACKE KOLLER Rechtsanwaltsgesellschaft mbH & Co KG, Deutschland
Text
Hintergrund: Das Risiko und die konkrete Erfahrung von Arzthaftungsverfahren sowie deren Auswirkungen sind in der ärztlichen Fachpresse sehr präsent. Repräsentative Erhebungen, in welchem Ausmaß sich Hausärzt:innen durch die Gefahr von Arzthaftungsverfahren belastet fühlen, liegen in Deutschland nicht vor.
Zielsetzung/Fragestellung: 1. Wie stark beeinflusst die Gefahr von Arzthaftungsverfahren das ärztliche Handeln? 2. In welchem Ausmaß bestehen eigene Erfahrungen mit Arzthaftungsverfahren? 3. In welchem Ausmaß wurden stattgehabte Arzthaftungsverfahren als belastend empfunden?
Material und Methoden: Ein vierseitiger Fragebogen wurde an eine deutschlandweite Zufallsstichprobe von 2000 niedergelassenen Hausärzt:innen (Allgemeinärzt:innen, praktische Ärzt:innen sowie hausärztliche Internist:innen) versendet (zweifache Erinnerung bei Nichtbeantwortung). Die Auswertung erfolgte mit deskriptiv- und inferenzstatistischen Verfahren.
Ergebnisse: 1.926 Fragebögen konnten zugestellt werden; 640 Ärzt:innen (mittleres Alter 53±11 Jahre, 48% weiblich) sandten einen ausgefüllten Fragebogen ein (Rücklaufquote 33%). Von diesen hatten 31% ein Arzthaftungsverfahren erlebt. Höheres Alter, eine größere Zahl von Fällen pro Quartal und männliches Geschlecht gingen mit einer höheren Wahrscheinlichkeit einher, ein Verfahren erlebt zu haben. 54% der Teilnehmenden mit und 39% derjenigen ohne Haftungserfahrung (Unterschied p<0,001) schätzten den Einfluss drohender Verfahren auf ihr ärztliches Handeln allgemein als stark oder sehr stark ein. Stark wurde der Einfluss vor allem in Bezug auf Aufklärung und Dokumentation angesehen. Unter den 197 Hausärzt:innen mit eigener Verfahrenserfahrung wurde die Belastung am häufigsten emotional (77%) und zeitlich (58%) als stark oder sehr stark empfunden wurde, während dies finanziell nur bei 6% der Fall war.
Diskussion: Obwohl die Rücklaufquote mit 33% deutlich höher lag als bei einer online-Umfrage zu einem ähnlichen Thema, besteht das Risiko, dass die Antworten aufgrund eines möglichen Betroffenen-Bias nur eingeschränkt repräsentativ für niedergelassene Hausärzt:innen sind.
Take Home Message für die Praxis: Das Risiko und die konkrete Erfahrung von Arzthaftungsverfahren scheinen für die Hausärzt:innen erheblich belastend zu sein und wirken sich in relevanter Weise auf deren Handeln aus. Dies sollte Anlass zu weiteren Untersuchungen geben.