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59. Kongress für Allgemeinmedizin und Familienmedizin

Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM) e.V.
01.-03.10.2025
Hannover


Meeting Abstract

Ärztinnen in Mutterschaft: Förderliche und hinderliche Faktoren des ärztlichen Arbeitens unter Vereinbarung der Familie

Sandra Decker 1
Simona Maspero 1
Jan Gehrmann 1,2
Frederike Kneissl 1
Antonius Schneider 1
Klaus Linde 1
1Technische Universität München, Institut für Allgemeinmedizin und Versorgungsforschung, München, Deutschland
2Technische Universität München, Lehrstuhl für Soziale Determinanten der Gesundheit, München, Deutschland

Text

Hintergrund: Angesichts des drohenden Ärzt:innenmangels und der veränderten Geschlechterverhältnisse der Ärzt:innenschaft ist es von erheblicher Bedeutung, Verbesserungspotenziale im Arbeitssetting von (wiedereingestiegenen) Ärztinnen mit Kind(ern) zu identifizieren.

Zielsetzung/Fragestellung: Welche Faktoren fördern oder erschweren die Vereinbarkeit von Mutterschaft und ärztlicher Tätigkeit aus Sicht von Ärztinnen mit Kind(ern)? Worin unterscheiden sich allgemeinmedizinische Tätigkeiten von anderen Fachbereichen?

Material und Methoden: Aus dem Netzwerk für Mütter in der Medizin („MumDocs“) wurden je 10 Ärztinnen aus der Allgemeinmedizin sowie aus anderen Fachrichtungen rekrutiert und anhand eines semi-strukturierten Leitfadens in ca. 30-minütigen Interviews (telefonisch oder per Zoom) befragt. Die pseudonymisierten Transkripte wurden inhaltsanalytisch nach Mayring ausgewertet. Auf Basis des Leitfadens (deduktiv) und der freien Kodierung zweier Interviews (induktiv) wurde ein Kodierleitfaden entwickelt, der iterativ angepasst wurde.

Ergebnisse: Die Ärztinnen beschreiben sowohl individuelle als auch strukturelle Einflussfaktoren auf die Vereinbarkeit ihrer ärztlichen Tätigkeit. Auf individueller Ebene ist das Arbeitsmodell des Partners, das lokale soziale Unterstützungsnetzwerk und die finanzielle Lage entscheidend. Auf struktureller Ebene werden die Rahmenbedingungen von Kinder-Betreuungsmöglichkeiten, die Flexibilität des eigenen Arbeitsmodells sowie die Zusammenarbeit mit Vorgesetzten und Kolleg:innen betont. Die Teilnehmenden schildern Rollenkonflikte zwischen den Ansprüchen des ‚gute Ärztin‘ und ‚gute Mutter‘ Seins sowie teils Diskriminierungserfahrungen durch Vorgesetzte. Als Reaktion zeigen sich individuelle Umgangsstrategien: Anpassung des Arbeitsumfelds an die neuen Umstände (z.B. Wechsel in eine ambulante Tätigkeit) oder Anpassung der Selbstdarstellung durch das Ausblenden der Mutterrolle.

Diskussion: Sowohl die strukturellen Herausforderungen als auch die Rollenkonflikte des Ärztin- und Mutter-Seins werden von den Befragten als individuell zu bewältigen erlebt, was zu vielfältigen Umgangsstrategien führt, abhängig von Fachdisziplin und Team/Vorgesetzten. Dabei kann es nicht selten zu Momenten der Frustration und Überlastung kommen. Die Allgemeinmedizin bietet im Vergleich bessere Vereinbarungsmöglichkeiten für die ärztliche Tätigkeit als Mutter.

Take Home Message für die Praxis: Um Ärztinnen in der Versorgung zu halten, sind gezielte Unterstützungsangebote notwendig, um strukturelle Hürden abzubauen.