59. Kongress für Allgemeinmedizin und Familienmedizin
59. Kongress für Allgemeinmedizin und Familienmedizin
Gelingt älteren Menschen in Pflegeheimen die Selbsteinschätzung ihres Dysphagie-Risikos?
2Medizinische Hochschule Hannover, Institut für Allgemeinmedizin und Palliativmedizin, Hannover, Deutschland
Text
Hintergrund: Eine oropharyngeale Dysphagie (OD) ist eine der häufigsten Ursachen einer Aspirationspneumonie. Sie kann zu Flüssigkeitsmangel, Mangelernährung und Schwierigkeiten beim Schlucken von Medikamenten führen und damit Begleiterkrankungen negativ beeinflussen. Zudem beeinträchtigt eine OD die Lebensqualität Betroffener erheblich, indem sie soziale Isolation aufgrund von Schamgefühlen sowie Depressionen begünstigt.
Mehr als 50% der Pflegeheimbewohner:innen weisen klinische Anzeichen einer OD auf und obwohl sie bei ihnen zu einer Erhöhung der Mortalität führt, bleibt sie oft lange Zeit unerkannt.
Zielsetzung/Fragestellung: Die vorliegende Untersuchung geht der Frage nach, ob sich ein vorliegendes Dysphagie-Risiko älterer Menschen in Pflegeheimen allein mittels eines Fragebogens zur Selbsteinschätzung der eigenen Schluckfähigkeit erheben lässt.
Material und Methoden: Im Rahmen der cluster-randomisierten Interventionsstudie „Orofaziopharyngeale und sprachlich-kommunikative Aktivierung im Alter (OrkA)“ wurde die Schluckfähigkeit von 158 Bewohner:innen (MW: 82,72 Jahre; SD±8,58) verschiedener Pflegeheime der Region Hannover, bei denen bisher keine Dysphagie diagnostiziert wurde, mittels des Eating Assessment Tools (EAT-10) und des Timed Tests of Swallowing Capacitiy (TTSC) gescreent.
Ergebnisse: Eine pathologisch verlangsamte Schluckgeschwindigkeit (TTSC), ein pathologisch verringertes Bolusvolumen (TTSC) und das Auftreten klinischer Symptome vor, während oder nach dem Schluckvorgang (TTSC) stehen jeweils für sich genommen nicht in einem signifikanten Zusammenhang mit dem selbsteingeschätzten Dysphagie-Risiko (EAT-10) in der beschriebenen Stichprobe. Allein der Parameter „Nicht Bestehen“ (TTSC), welcher bedeutet, dass 150 ml Wasser nicht in einem Trinkvorgang bewältigt werden, korreliert signifikant (ρ =.182*; p=.025) mit einem selbsteingeschätzten Dysphagie-Risiko (EAT-10).
Diskussion: Die erhobenen Ergebnisse sprechen dafür, dass ältere Menschen in Pflegeheimen Schluckschwierigkeiten erst dann selber erkennen, wenn sie nicht mehr in der Lage sind 150 ml Wasser in einem Trinkvorgang zu bewältigen.
Take Home Message für die Praxis: Es wird empfohlen, den EAT-10 in Kombination mit einem Wasserschlucktest zur Aufdeckung eines Dysphagie-Risikos älterer Menschen in Pflegeheimen einzusetzen, um frühzeitig intervenieren zu können.