59. Kongress für Allgemeinmedizin und Familienmedizin
59. Kongress für Allgemeinmedizin und Familienmedizin
Postinfektiöse Fatigue Ambulanz – ein strukturiertes, interdisziplinäres Versorgungsangebot für Menschen mit postinfektiöser Fatigue am Universitätsklinikum Ulm
Text
Hintergrund: Postinfektiöse Fatigue ist ein schwer zu fassendes Beschwerdebild mit oft erheblichen Beeinträchtigungen des bio-psycho-sozialen Wohlbefindens. Um der anhaltenden Nachfrage gerecht zu werden, wurde am Universitätsklinikum Ulm eine zentrale Anlaufstelle für Menschen mit postinfektiöser Fatigue eingerichtet. Ziel war es, ein strukturiertes Versorgungsangebot zu etablieren, das steuernde Elemente der Primärversorgung mit spezialistischer Expertise aus einer Hand anbietet: Zugangskriterien, asynchrone Vorbereitung des Ambulanzkontakts, strukturierter Symptomcheck, Besprechung der Hauptprobleme, Zielvereinbarung mit videobasierten Recall nach 2 Monaten. Bei Bedarf erfolgt ein Konsil oder eine Vorstellung im interdisziplinären Board. Die Postinfektiöse Fatigue Ambulanz ist seit Januar 2025 im Vollbetrieb.
Zielsetzung/Fragestellung: Wie und von wem wird das neue Versorgungsangebot angenommen? Welche Hauptprobleme benennen Patient:innen im Ambulanzkontakt?
Material und Methoden: Für das interdisziplinär von Allgemeinmedizin, Neurologie, Psychosomatik, Sport- und Rehabilitationsmedizin entwickelte Versorgungskonzept werden quantitativ und qualitativ alle Ambulanzkontakte im Zeitraum 01.01.2025 bis 30.06.2025 ausgewertet.
Ergebnisse: Im 1. Quartal 2025 trafen 212 Anfragen ein, von denen 124 einen Termin erhielten, 88 wurden abgewiesen, da außerhalb des Einzugsgebiets (n=76) oder FAS<35 (n=12). Zuweisungen erfolgten überwiegend aus der Allgemeinmedizin (83%). Bis Ende März fanden 81 Ambulanzkontakte statt, mehrheitlich kamen Frauen (n=54), Durchschnittsalter 46,4 (±12,4) Jahre, bevorzugt schwerer Betroffene (FAS≥35: Männer 83%; Frauen 80%). Als Hauptprobleme wurden neben erwarteten Beeinträchtigungen (u.a. Leistungseinschränkungen, Kopf-, Muskelschmerzen, Schlaf-, Konzentrationsstörungen) relativ oft fehlender sozialer Kontakt benannt. Beim Kongress wird die Analyse für den gesamten Zeitraum vorgestellt.
Diskussion: Die Postinfektiöse Fatigue Ambulanz bietet im Einzugsgebiet des Universitätsklinikums Ulm ein einmaliges Versorgungskonzept, das von Betroffenen und Zuweisenden sehr gut angenommen wird. Aufsuchende Versorgung (Hausbesuch), sozialmedizinische Beratung sowie eine kontinuierliche interdisziplinäre Betreuung sollten bei Bedarf angeboten werden.
Take Home Message für die Praxis: Intersektoral und interdisziplinär abgestimmte Prozessabläufe ermöglichen eine effektive Steuerung von Patient:innen mit postinfektiöser Fatiguesymptomatik. Eine bessere Vernetzung mit anderen Spezialambulanzen wird angestrebt, um dem Versorgungsbedarf gerecht zu werden.