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Jahrestagung der Gesellschaft für Medizinische Ausbildung


08.-10.09.2025
Düsseldorf


Meeting Abstract

Schutz vor Diskriminierung und sexualisierter Gewalt – die Entwicklung eines Schutzkonzeptes für Medizinstudierende der Universität Bonn

Sarah Rembold-Lierz 1
Jannika Ewald 1
Björn Mrosko 2
Bernd Pötzsch 1
Bernhard Steinweg 1
1Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, Studiendekanat der Medizinischen Fakultät, Bonn, Deutschland
2IPA Institut für Prävention und Aufarbeitung sexualisierter Gewalt, Bonn, Deutschland

Text

Fragestellung/Zielsetzung: Sexualisierte Diskriminierung und Gewalt ist Bestandteil der Lebensrealität von Studierenden. 2024 wurde die bisher größte europäische Studie zum Thema „Geschlechtsbezogener Gewalt“ (UniSAFE Studie) an Universitäten veröffentlicht [1]. Hier wurden 15 Länder, 48 Universitäten und 42186 Studierende in die Datenauswertung mit einbezogen. 30% der Stichprobe berichtet über sexuelle Belästigung. In 54 qualitativen Interviews mit Betroffenen reichten nur 17 Proband*innen eine Beschwerde ein. 50% der Beschwerden wurden gar nicht beantwortet. In keinem Fall gab es eine Konsequenz für die Täter*innen [2].

Angehende Mediziner*innen sind während ihrer Ausbildung besonderen Risiken ausgesetzt, die es erschweren, Fälle von sexualisierter Gewalt und Diskriminierung zu melden und aufzuarbeiten. Dazu gehören starke Hierarchien und Machtgefälle innerhalb des Arbeitsumfelds sowie die Tatsache, dass in der Medizin Grenzüberschreitungen teilweise als Teil des Jobs wahrgenommen werden. Darüber hinaus herrscht in diesem Berufsfeld eine Kultur, die ständige Leistungsfähigkeit, unermüdlichen Einsatz und unfehlbare Kompetenz erwartet, was es für Betroffene schwieriger macht, sich einzugestehen, Opfer von sexualisierter Gewalt oder Diskriminierung zu sein. Diese Problematik zeigt sich in hohen berichteten Prävalenzraten von erlebter sexualisierter Diskriminierung und Gewalt von 70,8-82,5% bei Ärztinnen und 30,8-65,1% bei Ärzten, wobei diese Vorfälle nur selten gemeldet werden [3].

Im Projekt „Schutzkonzeptentwicklung für Medizinstudierende an der Universität Bonn“ wird ein spezifisch auf die individuellen Bedürfnisse und Ausbildungssituationen angepasstes Konzept entwickelt, das auf einer Risiko- und Potenzialanalyse der bestehenden Faktoren an der Fakultät beruht. Das fertige Schutzkonzept wird durch die Etablierung von zusätzlichen Pflichtveranstaltungen in der medizinischen Lehre verankert und mit Hilfe einer fest installierten Anlaufstelle für Medizinstudierende im Studiendekanat betreut.

Methoden: In einer integrativen Projektgruppe, an der sowohl Mitarbeitende als auch in erster Linie Studierende der Medizin der Universität Bonn regelmäßig teilnehmen, wird durch eine Risiko-und Potenzialanalyse im Prozess ein Schutzkonzept erarbeitet und etabliert, welches auf die spezifischen Bedürfnisse der Zielgruppe „Medizinstudierende“ zugeschnitten ist.

Als Teil dieses Schutzkonzeptes werden thematisch angepasste Workshops für die Vorklinik, Klinik und das Praktische Jahr entwickelt und in die Pflichtlehre integriert.

Zusätzlich wird eine juristisch besetzte, feste Anlaufstelle für Studierende im Studiendekanat errichtet, die vertraulich und gleichzeitig sanktionierend beraten kann.

Ergebnisse: Da sich das Schutzkonzept zurzeit im Bearbeitungsprozess befindet, werden auf der GMA Jahrestagung erstmalig der bisherige Prozess und der Stand der Risiko- und Potenzialanalyse der Projektgruppe Medizin an der Universität Bonn vorgestellt.


Literatur

[1] Lipinsky A. Expertise zu sexualisierter und geschlechtsbezogener Gewalt in der Wissenschaft unter besonderer Berücksichtigung von Vielfalt und Intersektionalität. Köln: GESIS – Leibnitz-Institut für Sozialwissenschaften; 2024. DOI: 10.21241/ssoar.97554
[2] Humbert AL, Strid S. Intersectionality and gender-based violence: an empirical multi-level examination of prevalence and frequency in universities and research organizations. Violence Against Women. 2025;31(10):2553-2573. DOI: 10.1177/10778012241265363
[3] Djermester P, Jenner SC, Oertelt-Prigione S. Umgang mit sexualisierter Diskriminierung und Gewalt in der Universitätsmedizin in Theorie und Praxis. In: Pantelmann H, Blackmore S, editors. Sexualisierte Belästigung, Diskriminierung und Gewalt im Hochschulkontext. Wiesbaden: Springer Gabler; 2023. p.57-67. DOI: 10.1007/978-3-658-40467-3_5