Jahrestagung der Gesellschaft für Medizinische Ausbildung
Jahrestagung der Gesellschaft für Medizinische Ausbildung
Befähigung von Medizinstudierenden zum Umgang mit sexueller Belästigung im Studium – Erfahrungen aus einem Pilot-Workshop in Deutschland
2Universität Augsburg, Medizinische Fakultät / Departement of Medical Education Augsburg, Augsburg, Deutschland
Text
Zielsetzung: Sexuelle Belästigung ist im Medizinstudium weit verbreitet und kann sowohl durch Lehrende als auch durch Patient*innen erfolgen. Dennoch erhalten Medizinstudierende bislang keine gezielte Schulung, die sie auf den Umgang mit sexueller Belästigung im klinischen Umfeld vorbereitet. Zudem existieren keine deutschsprachigen Ressourcen, die Medizinstudierenden als Orientierungshilfe im Umgang mit durch Patient*innen verübter sexueller Belästigung dienen könnten. Dieser Beitrag beschreibt erste Erfahrungen mit einem interaktiven Seminar zum Umgang mit sexueller Belästigung an der Medizinischen Fakultät der Universität Augsburg.
Methoden: Ein 90-minütiges Seminar zum Umgang mit sexueller Belästigung im Medizinstudium wurde an der Universität Augsburg entwickelt, implementiert und evaluiert. Ziel des Seminars war es, Medizinstudierende für das Erkennen und adäquate Reagieren auf sexuelle Belästigung während des Studiums zu sensibilisieren und zu schulen. Das Seminar umfasste interaktive Methoden sowie Rollenspiele, um Kommunikationsstrategien zu vermitteln und einzuüben. Alle Teilnehmenden füllten einen Evaluationsfragebogen aus, der eine retrospektive Selbsteinschätzung ihrer Fähigkeit zur Identifikation und Bewältigung sexueller Belästigung beinhaltete.
Ergebnisse: Insgesamt nahmen im Wintersemester 2023/2024 20 von 67 eingeladenen Studierenden an vier Seminarterminen teil und schlossen die Evaluation ab. Weibliche Teilnehmende berichteten signifikant häufiger über persönliche Erfahrungen mit sexueller Belästigung als männliche Teilnehmende. Männer zeigten eine leicht höhere Tendenz, sexuelle Belästigung direkt anzusprechen, allerdings ohne statistische Signifikanz. Nach dem Seminar gaben die Teilnehmenden in ihrer Selbsteinschätzung an, sich signifikant besser auf den Umgang mit sexueller Belästigung vorbereitet zu fühlen. Die stärksten Effekte wurden in den Bereichen der Definition sexueller Belästigung, der Reaktion als Betroffener, der Intervention als Beobachterin sowie der Suche nach professioneller Unterstützung festgestellt. Geschlechtsspezifische Unterschiede waren in diesen Bereichen nicht signifikant.
Diskussion: Das Seminar schließt eine bestehende Lücke in der medizinischen Ausbildung und stellt eine wertvolle Ergänzung im Bereich der kommunikativen Schulung dar. Die Teilnehmenden bewerteten insbesondere die Rollenspiele und das praktische Üben von Reaktionsmöglichkeiten als besonders hilfreich. Eine Ausweitung des Programms sowie eine frühere Implementierung im Curriculum werden empfohlen.