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Jahrestagung der Gesellschaft für Medizinische Ausbildung


08.-10.09.2025
Düsseldorf


Meeting Abstract

Professionelle Identitätsentwicklung in der ärztlichen Aus-, Weiter- und Fortbildung – eine diskursive Begriffsbestimmung

Kristina Schick 1
Katja Kühlmeyer 2
Barbara Jömann 3
Moritz Schumm 4
Sonja Mathes 5
Angelika Homberg 6
1Technische Universität Dresden, Medizinische Fakultät Carl Gustav Carus, Institut für Didaktik und Lehrforschung in der Medizin, Dresden, Deutschland
2Ludwig-Maximilians-Universität München, Institut für Ethik, Geschichte und Theorie der Medizin, München, Deutschland
3Ruhr-Universität Bochum, Abteilung für Allgemeinmedizin, Bochum, Deutschland
4Technische Universität München, TUM Medical Education Center, Department Clinical Medicine, TUM School of Medicine and Health, München, Deutschland
5Technische Universität München, TUM Medical Education Center, Department Clinical Medicine, Klinik und Poliklinik für Dermatologie und Allergologie, München, Deutschland
6Medizinische Fakultät Mannheim der Universität Heidelberg, GB Studium und Lehrentwicklung, Abteilung Medizinische Ausbildungsforschung, Mannheim, Deutschland

Text

Zielsetzung: Die Frage wie Medizinstudierende und Ärzt*innen darin gefördert werden können, in ihre (künftige) professionelle Rolle hineinzuwachsen, wird in den letzten Jahren zunehmend unter dem Begriff „Professional Identity Formation“ (PIF) oder „Professional Identity Development“ (PID) diskutiert [1]. Die Begriffe wurden zu Beginn der 2010er Jahre im angelsächsischen Raum in die medizinische Ausbildungsforschung eingeführt [2]. In diesem Projekt wurde die diskursive Klärung des Begriffsverständnisses von PIF/PID für den deutschsprachigen Raum im Forschungs- und Praxisfeld der Medizindidaktik angestrebt.

Methoden: Das Projekt wurde in einem dynamischen Diskurs von Januar 2023 bis Oktober 2024 durchgeführt und beinhaltete

  1. einen Workshop zur Erarbeitung eines ersten Begriffsverständnisses,
  2. eine Diskussion des Verständnisses durch eine Onlinebefragung mit anschließendem Workshop und,
  3. eine Konsensfindung durch ein weitgehend asynchrones Online-Gruppendelphi.

Am Projekt waren Personen mit unterschiedlichen disziplinären Hintergründen im Rahmen ihrer Mitarbeit im Ausschuss „Professional Identity Formation“ der Gesellschaft für Medizinische Ausbildung (GMA) beteiligt. Die Auswertungen der Befragung und des Gruppendelphis erfolgten anhand deskriptiver Statistik und der qualitativen Analyse von Argumenten.

Ergebnisse: Folgendes Begriffsverständnis wurde schrittweise erarbeitet (siehe Abbildung 1 [Fig. 1]) und konsentiert: „Die professionelle Identitätsentwicklung (PIE) von Ärzt*innen ist ein fortdauernder Prozess in allen Phasen der berufsbezogenen Ausbildung und Tätigkeit. Die professionelle Identität entwickelt sich in der Interaktion zwischen Person und Umwelt. Der Prozess verläuft sowohl bewusst als auch unbewusst. Er unterliegt inneren und äußeren Einflüssen, die in der ärztlichen Aus-, Weiter- und Fortbildung aufgegriffen und gestaltet werden können. In diesem Prozess sollen Personen im Kontext der Normen und Werte ihrer Profession sich Wissen aneignen, Fertigkeiten erwerben und insbesondere eine (selbst-)reflexive Haltung entwickeln.“. Der Prozess sowie das Ergebnis werden auf der Tagung vorgestellt [3].

Abbildung 1: Entwicklung der Begriffsbestimmung zur Professionellen Identitätsentwicklung

Diskussion: Im Erarbeitungsprozess kristallisierten sich drei Fragen heraus, die weitere Klärung erfordern:

  1. ob PIE überhaupt als ein didaktisch gestaltbarer Prozess aufgefasst werden kann,
  2. inwiefern PIE mit einem normativen Anspruch einhergehen sollte, und
  3. in welchem Verhältnis PIE und Kompetenzentwicklung stehen.

Die Begriffsbestimmung kann einen Ausgangspunkt für punktuelle oder longitudinale Lehr- und Forschungsprojekte in der Medizindidaktik bieten und zugleich als Grundlage dienen, adäquate didaktische Methoden in der medizinischen Aus-, Weiter- und Fortbildung einzusetzen, um PIE zu adressieren.

Take Home Message: Das anschlussfähige Begriffsverständnis greift die prozesshafte Entwicklung von PIE auf und setzt Impulse für die Aus-, Weiter- und Fortbildung. Weiterhin muss geklärt werden, welche Ansprüche mit PIE einhergehen.


Literatur

[1] Yardley S, Kinston R, Lefroy J, Gay S, McKinley RK. ‘What do we do, doctor?’ Transitions of identity and responsibility: a narrative analysis. Adv Health Sci Educ Theory Pract. 2020;25(4):825-43. DOI: 10.1007/s10459-020-09959-w
[2] Jarvis-Selinger S, Pratt DD, Regehr G. Competency is not enough: integrating identity formation into the medical education discourse. Acad Med. 2012;87(9):1185-1190. DOI: 10.1097/ACM.0b013e3182604968
[3] Schick K, Kühlmeyer K, Mathes S, Jömann B, Schumm M, Homberg A. [Professional Identity Formation – Eine Begriffsbestimmung für den deutschsprachigen Raum]. GMS J Med Educ. submitted.