Jahrestagung der Gesellschaft für Medizinische Ausbildung
Jahrestagung der Gesellschaft für Medizinische Ausbildung
Wissenschaftskompetenz stärken – Seminare im Wissenschaftsmodul der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH)
Text
Fragestellung/Zielsetzung: Obwohl der Wissenschaftsrat bereits mit Blick auf den Masterplan 2020 den Erwerb wissenschaftlicher Kompetenzen im Medizinstudium als „notwendig“ [1] bewertete, bleibt deren Erwerb bislang oft lückenhaft [2]. Um diesem Defizit entgegenzuwirken, wurde an der Medizinischen Hochschule Hannover im Studienjahr 2020/21 das Wissenschaftsmodul als verpflichtender Bestandteil des Curriculums eingeführt. Ein zentrales Element bildet die Teilnahme an Seminaren, die nicht nur grundlegende wissenschaftliche Arbeitsweisen vermitteln, sondern auch eine kritische Auseinandersetzung mit aktuellen medizinischen Entwicklungen ermöglichen. Studierende müssen ab dem dritten Studienjahr mindestens 16 Seminarstunden absolvieren, um das Modul erfolgreich abzuschließen. Dieser Beitrag stellt das Konzept vor und zieht Bilanz nach fünf Jahren Erfahrung.
Methoden: Die inhaltliche Basis bilden die Lernziele des NKLM zur Wissenschaftlichkeit. Didaktisch werden die Seminare als Blended-Learning oder Flipped-Classroom Format entwickelt. Anhand der bisher durchgeführten Seminare erfolgen neben einer Vorstellung des Themenspektrums eine Auswertung der Teilnehmendenzahlen und der Dozierenden sowie eine SWOT-Analyse der bisherigen Erfahrungen aus Sicht der Modulverantwortlichen.
Ergebnisse: Seit Einführung des Moduls wurden 138 Seminare von 10 Dozierenden aus 7 verschiedenen Abteilungen angeboten. Die durchschnittliche Auslastung betrug 81,4%. Die Seminardauer variiert zwischen 2 und 16 Stunden. Insgesamt wurden 20 verschiedene Seminarthemen angeboten: 13 zur Vermittlung wissenschaftlicher Kompetenzen, 7 zur kritischen Reflexion interdisziplinärer Fragestellungen. Die Inhalte reichen von klassischer Wissenschaftskompetenz (Literaturrecherche, Schreibwerkstätten, Quellenbewertung) bis hin zu hochaktuellen Themen wie medizinische Robotik, „ChatGPT“ oder soziale Ungleichheit im Gesundheitssystem. Zwei Seminare wurden in Abstimmung mit den Modulverantwortlichen durch studentische Interessengruppen entwickelt (Planetary Health, Interkulturelle Kompetenzen) und gehalten. Eine zentrale Herausforderung bleibt die Organisation der Seminare für rund 300 Studierende pro Jahrgang. Die Studierendenrückmeldungen zum Lernzuwachs sind überwiegend positiv.
Diskussion: Die Seminare des Wissenschaftsmoduls schaffen eine Möglichkeit zur kritischen Auseinandersetzung mit übergreifenden, medizinisch-gesellschaftlichen Themen und können so maßgeblich zur Förderung wissenschaftlicher Kompetenzen sowie der Persönlichkeitsentwicklung der Studierenden beitragen.
Take Home Message: Wissenschaftliche Kompetenz ist essenziell für eine verantwortungsbewusste ärztliche Tätigkeit und sollte frühzeitig gefördert werden. Die Einführung der vorgestellten Seminarformate kann dazu beitragen, die traditionell starre Struktur des Medizinstudiums aufzubrechen und innovative Konzepte in die Ausbildung zu integrieren, um den sich wandelnden Anforderungen in Wissenschaft und Medizin gerecht zu werden.
References
[1] Wissenschaftsrat. Neustrukturierung des Medizinstudiums und Änderung der Approbationsordnung für Ärzte. Empfehlungen der Expertenkommission zum Masterplan Medizinstudium 2020. Köln; Wissenschaftsrat; 2018. Drs. 7271-18. Zugänglich unter/available from: https://www.wissenschaftsrat.de/download/archiv/7271-18.html[2] Baum C, Bruns C, Eckart WU, Fulda S, Gärtner J, Grüters-Kieslich A, Guthoff R, Krieg T, Kuhley A, Schlögl-Flierl K, Wiesemann C, Wiesing U, Wollenberg B. Ärztliche Aus-, Weiter- und Fortbildung – für eine lebenslange Wissenschaftskompetenz in der Medizin. Diskussion Nr. 28. Halle/Saale: Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina; 2022. Zugänglich unter/available from: https://www.leopoldina.org/fileadmin/redaktion/Publikationen/Diskussionen/2022_Diskussionspapier_Wissenschaftskompetenz_in_der_Medizin.pdf