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59. Kongress für Allgemeinmedizin und Familienmedizin

Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM) e.V.
01.-03.10.2025
Hannover


Meeting Abstract

Haben wir Menschen in Altenpflegeeinrichtungen gut im Blick? Schluck- und Sprachkompetenzen und daraus abgeleitete Versorgungsbedarfe

Wenke Walther 1
Isabell Fesser 1,2
Franziska Lodziewski 2
Katharina Peters 2
Klaus Hager 1
Simone Miller 1,2
1Medizinische Hochschule Hannover, Institut für Allgemeinmedizin und Palliativmedizin, Hannover, Deutschland
2Medizinische Hochschule Hannover, Experimentelle Phoniatrie der HNO, Hannover, Deutschland

Text

Hintergrund: Schluckstörungen und sprachliche Abbauprozesse in der alternden Bevölkerung sind häufige Probleme, die zu schwerwiegenden Folgen wie Unterernährung und sozialem Rückzug führen können. Ein erhöhtes Risiko für diese Abbauprozesse entsteht bei körperlicher und kognitiver Inaktivität sowie reizarmen Umgebungen wie z.B. in Altenheimen.

Zielsetzung/Fragestellung: Im Rahmen einer cluster-randomisierten Kontrollstudie wurden Schluck-, Sprach- und Kognitionsleistungen bei Bewohner:innen (BW) in Altenheimen erhoben. Dabei sollten nur solche BW eingeschlossen werden, die nach Einschätzung der Pflege weder Demenz noch Schluckstörungen aufwiesen. Aus den Daten soll ein möglicher Versorgungsbedarf abgeleitet werden.

Material und Methoden: In 17 Altenheimen der Region Hannover wurden 159 BW mittels standardisierter Verfahren (150 ml Schlucktest, Regensburger Wortflüssigkeitstest, DemTect) sowie subjektiver Fragebögen zur Alltagskommunikation und Nahrungsaufnahme untersucht. Zudem wurden personenbezogene und medizinische Daten im Zeitraum von 6/23–4/24 erhoben. Die Auswertung erfolgt deskriptiv.

Ergebnisse: Die BW waren zumeist weiblich (74,2%) und im Schnitt 83 Jahre alt. Sie hatten 2,5 (Median) Erkrankungen und nahmen durchschnittlich regelmäßig 7 Medikamente ein. Die Schluckgeschwindigkeit lag im Mittel bei 9,4 ml/Sek. 59,1% zeigten eine als pathologisch geltende Schluckgeschwindigkeit <10 ml/Sek. In der Selbstbeurteilung der Nahrungsaufnahme gaben 10% ein erhöhtes Aspirationsrisiko an. In der Sprachüberprüfung konnten sie im Mittel 8 Wörter/Min. abrufen. Dabei erlangten 35% einen Prozentrang von <17, was als unterdurchschnittlich gilt. In der Selbstbeurteilung der Alltagskommunikation gaben die BW an, nur gelegentlich zu kommunizieren und dass dies gut bis mit Problemen gelingt. Bei 24,5% der BW wurde ein Verdacht auf Demenz und bei 41% leichte kognitive Einschränkungen festgestellt.

Diskussion: Es zeigt sich ein erheblicher Anteil an BW mit stark verlangsamten Schluckkompetenzen, geringen Wortabrufkapazitäten und kognitiven Beeinträchtigungen, was negative Auswirkungen auf die soziale Integration und Teilhabe haben könnte. Dies spiegelt sich in der Einschätzung der Pflege nicht wider und lässt den Schluss zu, dass weiterführender Diagnostik- und in Einzelfällen auch Therapiebedarf besteht. Sinnvoll wäre auch die Integration von präventiven Förderprogrammen für Sprache und Schlucken in Altenheimen.

Take Home Message für die Praxis: Menschen in Altenheimen benötigen zusätzlich zur Pflege auch Präventions-, Diagnostik- und Therapieangebote in den Bereichen Schlucken und Sprache.