59. Kongress für Allgemeinmedizin und Familienmedizin
59. Kongress für Allgemeinmedizin und Familienmedizin
Hausärztliche Versorgung von Langzeitüberlebenden einer Krebserkrankung – Ergebnisse einer Befragung zur Progredienzangst
2Goethe-Universität Frankfurt am Main, Institut für Allgemeinmedizin, Frankfurt, Deutschland
Text
Hintergrund: Die Zahl der Langzeitüberlebenden einer Krebserkrankung (LÜK) nimmt durch verbesserte Therapieoptionen stetig zu. Dennoch können Langzeit- und Spätfolgen die körperliche und psychische Gesundheit beeinträchtigen. Ein häufiges Thema, das auch noch viele Jahre nach der Erkrankung besteht, ist die Angst vor einem Wiederauftreten oder Fortschreiten der Krebserkrankung (Progredienzangst, PA), welche den Alltag von LÜK belasten kann. Nach Abschluss der strukturierten onkologischen Nachsorge sind Hausärzte oft wichtige Ansprechpartner für LÜK.
Zielsetzung/Fragestellung: Wie hoch ist die Prävalenz der PA bei LÜK in der hausärztlichen Versorgung und welche Prädiktoren lassen sich identifizieren?
Material und Methoden: 01–06/24 erfolgte eine anonyme Fragebogenerhebung von LÜK (≥5 Jahre nach Diagnose, ≥18 Jahre, alle C-Diagnosen) in Hausarztpraxen. Fragen umfassten u.a.: Soziodemographie, Wahrnehmung als Krebspatient, sowie Progredienzangst (mittels PA-F/KF). Mittels SPSS wurden deskriptive Statistiken und eine multiple lineare Regression berechnet, um Prädiktoren für PA zu identifizieren.
Ergebnisse: Es wurden 209 Fragebögen analysiert: 118 Frauen (57,8%), mittleres Alter: 72 Jahren (SD 12), die Erstdiagnose lag im Mittel 14,3 Jahre zurück (SD 7,6). 37,1% sehen sich heute noch als Krebspatient. Knapp die Hälfte der LÜK gab an, sich im Falle von Symptomen, die an die zurückliegende Krebserkrankung erinnern, an den Hausarzt zu wenden. 23,7% (n=36 von 152) der LÜK hatten einen erhöhten PA-Wert (≥34). Bereiche mit den meisten Ängsten waren: auf Hilfe angewiesen sein, bevorstehende Arzttermine und Konsequenzen für die Familie. Geringste Ängste wurden im berufl. Bereich angegeben. Im Regressionsmodell (F(3,143)=14.232, p<.001, N=147, korr. R2=.214) waren Geschlecht, Erkrankungsalter und Selbstwahrnehmung als Krebspatient signifikante Prädiktoren für PA (p≤.005): Höhere PA war assoziiert mit einem geringerem Erkrankungsalter (β=-.254), weibl. Geschlecht (β=.219) und Selbstwahrnehmung als Krebspatient (β =.251).
Diskussion: Die Ergebnisse bestätigen Hausärzte als häufigen Ansprechpartner für LÜK bei Symptomen. Knapp ¼ der LÜK hatten erhöhte PA. Entsprechend ist es wichtig, auch diese psychische Belastung in der Hausarztpraxis zu adressieren. Vor allem Patienten mit jüngerem Erkrankungsalter, Frauen und LÜK, die sich noch als Krebspatienten wahrnehmen, zeigten höhere PA.
Take Home Message für die Praxis: Von erhöhter Progredienzangst sind etwa ¼ der LÜK in Hausarztpraxen betroffen. Einflussfaktoren sind das Geschlecht, Erkrankungsalter und Selbstwahrnehmung als Krebspatient.