Jahrestagung der Gesellschaft für Medizinische Ausbildung
Jahrestagung der Gesellschaft für Medizinische Ausbildung
Eine digitale Plattform zur Begleitung von Professional Identity Formation im ambulanten Kontext – eine qualitative Analyse von Reflexionstexten
2Universität Bielefeld, Referat Studium und Lehre, Bielefeld, Deutschland
Text
Fragestellung/Zielsetzung: Für die Professional Identity Formation (PIF) sind Erfahrungen in der ambulanten ärztlichen Tätigkeit, die beim Studium im deutschsprachigen Raum überwiegend innerhalb des Fachs Allgemeinmedizin gesammelt werden, von großer Bedeutung [1]. Dabei stellen longitudinale Praxisphasen und individuellere Studienverläufe eine Herausforderung für die Durchführung von zeitnahen Reflexionsangeboten dar. Daher wurde an der Medizinischen Fakultät OWL der Universität Bielefeld eine digitale Plattform entwickelt, um die Reflexionsmomente bereits während der Praxisphasen zu ermöglichen. Es wurde retrospektiv untersucht, welche Themen die Studierenden dort bearbeiten und wie die Plattformstruktur angenommen wird.
Methoden: Bei der Plattform handelt es sich um den Moodle-Kurs „Longitudinale Reflexion Allgemeinmedizin“ (LoReA), in dem Medizinstudierende während allen ambulanten Praxisphasen Reflexionsaufgaben bearbeiten. Die Freitexte dieser Aufgaben wurden einer qualitativen Analyse nach Mayring [2] unterzogen. Die dabei erarbeiteten Kategorien wurden mit Lernzielen des NKLM 2.0 und PIF-bezogenen Sozialisationsfaktoren nach Crues et al. [3] abgeglichen. Zudem wurde die Zufriedenheit der Studierenden mit der Struktur der Plattform evaluiert.
Ergebnisse: 723 Beiträge der Studierenden aus insgesamt 3 Jahrgängen wurden analysiert und insgesamt 8 Kategorien wie z. B. „ambulanter Arbeitskontext“, „Lehr-Lern-Situation“ oder „Persönlichkeitsentwicklung“ und 30 Subkategorien zugeordnet. Diese adressieren dabei den Großteil der avisierten NKLM 2.0-Lernziele sowie einige zentrale Sozialisationsfaktoren. Im Gegensatz zu der sehr guten Bewertung der Praxisphasen durch Studierende zeigt die Evaluation von LoReA durch die Studierenden mit MW=6,23 (Likert-Skala 1 (schlecht)-10 (gut), n=246, SD=1,16) eine eher durchschnittliche Akzeptanz der Plattformstruktur.
Diskussion: Eine digital angeleitete Reflexion von allgemeinmedizinischen Praxisphasen ist umsetzbar, ermöglicht eine große Tiefe und Themenvielfalt bei Studierendentexten und unterstützt PIF grundsätzlich im ambulanten Kontext. Digitale Lösungen sollten dennoch durch Präsenzveranstaltungen ergänzt werden, um einen aktiven Austausch und Rückmeldungen zu ermöglichen, und für eine breite Akzeptanz sollte intensiv geworben werden.
Take Home Messages:
- Digital angeleitete Reflexionen adressieren relevante Sozialisationsfaktoren im Kontext von PIF und ermöglichen die zeitnahe Begleitung hoher Studierendenzahlen.
- Obwohl digital angeleitete Reflexionen eine große Themenbreite und -Tiefe produzieren, werden Sie von den Studierenden nur mäßig gut bewertet.
Literatur
[1] Barnhoorn PC, Nierkens V, Numans ME, Steinert Y, van Mook WN. “What kind of doctor do you want to become?”: Clinical supervisors‘ perceptions of their roles in the professional identity formation of General Practice residents. Med Teach. 2023;45(5):485-491. DOI: 10.1080/0142159X.2022.2137395[2] Mayring P. Qualitative Inhaltsanalyse: Grundlagen und Techniken. Weinheim/Basel: Beltz Verlagsgruppe; 2010.
[3] Cruess RL, Cruess SR, Boudreau JD, Snell L, Steinert Y. A schematic representation of the professional identity formation and socialization of medical students and residents: a guide for medical educators. Acad Med. 2015;90(6):718-725. DOI: 10.1097/ACM.0000000000000700