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Jahrestagung der Gesellschaft für Medizinische Ausbildung


08.-10.09.2025
Düsseldorf


Meeting Abstract

Prüfungsangst gezielt abbauen: Wie Peer- und Lecturer-Led-Simulationen autonome Stressreaktionen beeinflussen – HRV-Analysen im Vergleich

Morris Gellisch 1,2
Beate Brand-Saberi 2
Thorsten Schäfer 1
1Ruhr-Universität Bochum, Zentrum für Medizinische Lehre, Bochum, Deutschland
2Ruhr-Universität Bochum, Abteilung für Anatomie und Molekulare Embryologie, Bochum, Deutschland

Text

Fragestellung/Zielsetzung: Stress beeinträchtigt nachweislich den Zugriff auf gespeicherte Informationen [1] – ein Problem, das in mündlichen Prüfungen zu Leistungseinbußen führen kann, selbst bei guter Vorbereitung. Da es schwierig ist, sich allein auf diese Stresssituation einzustellen, haben wir Prüfungssimulationen integriert, um realistische Stressbedingungen zu erzeugen und Prüfungsangst gezielt abzubauen.

Wir prüften drei Hypothesen:

  1. Stressinduktion: Lösen Prüfungssimulationen physiologisch messbaren Stress aus?
  2. Unterschiede in der Stressreaktion: Gibt es Unterschiede in der autonomen Aktivierung zwischen Peer-Led- und Lecturer-Led-Simulationen?
  3. Langfristige Effekte: Wie wirken sich die Simulationsarten auf die Prüfungsangst und wahrgenommene Kompetenz in realen Prüfungen aus?

Methoden: Ein Mixed-Methods-Design kombinierte physiologische und psychologische Messungen [2]. Herzfrequenzvariabilität (HRV) diente als Marker für autonome Aktivierung (RMSSD, pNN50, SDNN, LF/HF). Medizinstudierende (n=95) wurden randomisiert entweder einer Peer-Led- oder Lecturer-Led-Simulation zugeteilt. Die Datenanalyse erfolgte mit Linear Mixed Models (LMMs), um Veränderungen und Interaktionen zu untersuchen. Qualitative Daten gaben Einblicke in die subjektiven Erfahrungen der Teilnehmenden (siehe Abbildung 1 und Abbildung 2 ).

Ergebnisse:

  • Physiologische Stressreaktionen: Beide Simulationsarten führten zu einer signifikanten Reduktion der parasympathischen Aktivierung (RMSSD: β=-14,16, p<.001), was auf erhöhten Stress hinweist.
  • Unterschiede in der Stressreaktion: Lecturer-Led-Simulationen lösten eine stärkere sympathische Aktivierung aus (LF/HF-Interaktion: β=-19,33, p<.001), während Peer-Led-Simulationen eine moderatere Stressreaktion verursachten.
  • Langfristige Effekte: Beide Gruppen zeigten langfristig eine gesteigerte Prüfungskompetenz und reduzierte Prüfungsangst (p<.05).

Diskussion: Peer-Led-Simulationen bieten eine effektive und ressourcenschonende Möglichkeit, realistische Prüfungsbedingungen zu erproben. Sie ermöglichen eine gezielte Vorbereitung auf mündliche Prüfungen, steigern die Prüfungskompetenz und reduzieren Prüfungsangst nachhaltig. Die geringere Stressaktivierung bei Peer-Led-Simulationen könnte durch Unterschiede in der sozialen Bewertung und Kontrollierbarkeit erklärt werden [3].


Literatur

[1] Wolf OT. Stress and memory retrieval: mechanisms and consequences. Curr Opin Behav Sci. 2017;14:40-46. DOI: 10.1016/j.cobeha.2016.12.001
[2] Gellisch M, Bablok M, Brand-Saberi B, Schäfer T. Neurobiological stress markers in educational research: A systematic review of physiological insights in health science education. Trends Neurosci Educ. 2024;37:100242. DOI: 10.1016/j.tine.2024.100242
[3] Woody A, Hooker ED, Zoccola PM, Dickerson SS. Social-evaluative threat, cognitive load, and the cortisol and cardiovascular stress response. Psychoneuroendocrinology. 2018;97:149-55. DOI: 10.1016/j.psyneuen.2018.07.009