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Jahrestagung der Gesellschaft für Medizinische Ausbildung


08.-10.09.2025
Düsseldorf


Meeting Abstract

Potentiale und Strategien von Patient:innen zur positiven Lenkung des Arzt-Gesprächs: Ergebnisse einer qualitativen Studie

Evelyn Wladarsch 1
Jana Jünger 1
1Institut für Kommunikations- und Prüfungsforschung gGmbH, Heidelberg, Deutschland

Text

Fragestellung: Die Arzt-Patient-Kommunikation ist ein entscheidendes Element medizinischer Praxis und beeinflusst sowohl subjektive (z.B. Schmerzempfinden) als auch objektive (z.B. Blutdruck) Gesundheitsindikatoren, ebenso wie die Adhärenz und Patientenzufriedenheit. Eine effektive Kommunikation trägt maßgeblich zur Patientensicherheit und zum Therapieerfolg bei. Während die Verantwortung für die Gesprächsqualität meist beim Behandelnden gesehen wird, ist das patientenseitige Potenzial zur aktiven Mitgestaltung bislang kaum erforscht. Ziel dieser Studie war es, Strategien und Potenziale auf Patientenseite zu identifizieren, die eine positive Steuerung von Arztgesprächen ermöglichen und die Kommunikation verbessern können.

Methoden: Die Untersuchung basiert auf einem qualitativen Studiendesign mit semi-strukturierten Interviews. Basierend auf einer umfassenden Literaturrecherche wurde ein Interviewleitfaden entwickelt. Die Auswertung erfolgte entsprechend der Grounded Theory mit induktiver und deduktiver Codierung. Insgesamt wurden 26 Interviews mit 12 Patient*innen, sechs Angehörigen und acht Ärzt*innen geführt. Die verschiedenen Perspektiven stellten einen Beitrag zur Datentriangulation und Validität dar. Das Sample war heterogen in Hinblick auf Art und Schwere der Erkrankung und Fachrichtung; Alle Befragten verfügten über umfangreiche Erfahrungen mit herausfordernden Arzt-Patient Interaktionen.

Ergebnisse: Themen und Herausforderungen, die sich in den Interviews herauskristallisierten korrespondieren mit den Ergebnissen in der Literatur und wurden von allen drei Befragtengruppen genannt. Aus der Datenanalyse wurden acht Kategorien abgeleitet, die patientenseitige Gestaltungsoptionen und Handlungsstrategien repräsentieren, um ein Gespräch positiv zu lenken:

  1. Asymmetrie reduzieren,
  2. starre Rollenzuweisung auflösen,
  3. Feedback,
  4. Vorbereitung,
  5. Informationsbedürfnisse ansprechen,
  6. Zeitgrenzen gestalten,
  7. Erwartungsmanagement und
  8. Selbstpositionierung.

Diskussion: Die Studie zeigt klar Ressourcen, Potentiale und Strategien auf Patientenseite, um ungünstige Kommunikationssituationen aktiv zu verbessern. Diese Fähigkeiten und Vorgehensweisen können aktiviert und eingeübt werden. Ein Patiententrainingsprogramm ist ein geeignetes Instrument, um Patient*innen auf ein Arztgespräch vorzubereiten. Eine Kombination aus praktischen Tipps und Tricks und einer Patientenaktivierung ist ein vielversprechender Ansatz, um die patientenseitigen Kapazitäten zu entfalten. Durch Einbindung der Ärzteschaft kann die Akzeptanz erhöhen und eine aktive Patientenrolle unterstützen.

Take Home Messages: Patient*innen stellen eine entscheidende, oft übersehene Ressource in der Arzt-Patient-Kommunikation dar. Patienten-Aktivierung und -Empowerment sowie Strategien zur Gesprächssteuerung können und sollten trainiert werden, anstatt aus negativen Erfahrungen und einem langen Leidensweg zu lernen. Dies stellt einen zentralen Beitrag zur Patientensicherheit dar.


Literatur

[1] Hinding B, Fugmann D, Gornostayeva M, Giessing M, Steiner N, Albers P, Jünger J. Verbesserung der Patientenversorgung durch gute Kommunikation und Zusammenarbeit. Gefördert vom Bundesministerium für Gesundheit. Mainz: Institut für medizinische und pharmazeutische Prüfungsfragen; 2020.
[2] Nunez A, Hinding B, Jünger J. Gut kommunizieren? Es lohnt sich! Auswirkungen der Arzt-Patienten-Kommunikation. In: Jünger J, editor. Ärztliche Kommunikation. Stuttgart: Schattauer; 2018. p.41-50.
[3] Breen KJ, Greenberg PB. Difficult physician-patient encounters. Intern Med J. 2010;40(10):682-688. DOI: 10.1111/j.1445-5994.2010.02311.x