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Jahrestagung der Gesellschaft für Medizinische Ausbildung


08.-10.09.2025
Düsseldorf


Meeting Abstract

Bewerten, Vertrauen, Anvertrauen? Eine kritische Betrachtung der Messbarkeit ärztlicher Eigenständigkeit im PJ-Reife OSCE

Alexander Eißner 1,2
Stefanie Siefert 1
Marie Heinrich 1
Waltraud Georg 1
Christoph Schindler 1
Felix Joachimski 1,3
Nicolas Krapp 1,4
1Universität Augsburg, Department of Medical Education Augsburg (DEMEDA), Augsburg, Deutschland
2Universitätsklinikum Augsburg, IV. Medizinische Klinik, Augsburg, Deutschland
3Universitätsklinikum Augsburg, Klinik Diagnostische und Interventionelle Neuroradiologie, Augsburg, Deutschland
4Universitätsklinikum Augsburg, III. Medizinische Klinik, Augsburg, Deutschland

Text

Zielsetzung: Mit Entrustable Professional Activities (EPAs) lassen sich ärztliche Tätigkeiten und der Grad der erforderlichen Supervision erfassen. Medizinstudierende übernehmen mit steigendem Kompetenzzuwachs zunehmend Tätigkeiten unter nachlassender Supervision. Die Beurteilung dieser Kompetenz ist komplex. Während Punktescores im Objective Structured Clinical Examination (OSCE) etabliert sind, gewinnt die Festlegung des notwendigen Supervisionslevels (SVL) an Bedeutung, um die schrittweise Übernahme von EPAs im Praktischen Jahr (PJ) abzubilden [1]. Dieser Beitrag diskutiert, inwiefern SVL in Prüfungssettings integriert werden können und welche Fragen sich aus ersten Datenerhebungen im PJ-Reife OSCE ergeben.

Methoden & Überlegungen zur Messbarkeit: Während Punktescores vordefinierte Kriterien zur Beurteilung der Performanz nutzen, basieren SVL auf einer umfassenden Einschätzung der Eigenständigkeit unter Berücksichtigung der erforderlichen Supervision. Im PJ-Reife OSCE an der Medizinischen Fakultät Augsburg im WiSe 2024/25 wurden neben der Global Rating Skala testweise SVL erhoben.

Es ermöglicht eine Reflexion über die Aussagekraft beider Methoden:

  • Sind Punktescores ausreichend, um die Eigenständigkeit der Studierenden zu erfassen?
  • Beruhen SVL auf einer umfassenderen Einschätzung, die auch Vertrauen und intuitive Faktoren einbezieht?
  • Bieten SVL eine flexiblere, kontextangepasste Bewertung oder verringern sie die Reliabilität [1]?

Diskussion: Erste Analysen zeigen eine stationsabhängige Korrelation zwischen Punktescores und SVL. An standardisierten Prüfungsstationen, wie der Präventionsberatung zu kardiovaskulären Risikofaktoren, zeigte sich eine höhere Übereinstimmung, während an interaktions- und entscheidungsbasierten Stationen, wie der Patient:innenvisite, größere Diskrepanzen bestanden.

Die Reliabilitätsanalyse zeigt für Punktescores eine höhere Konsistenz (Cronbach’s Alpha=0,65) als für SVL (0,54). Dies könnte darauf hindeuten, dass Prüfende zusätzliche, in den Bewertungskriterien nicht erfasste Faktoren einbeziehen [2]. Die Bewertung der Eigenständigkeit erfordert neben formalen Kriterien eine subjektive Einschätzung der Prüfenden. Subjektivität ist dabei kein Defizit, sondern essenziell für eine umfassende Beurteilung ärztlicher Kompetenzen [3].

Ausblick: Eine detaillierte Analyse der Daten und qualitative Befragungen der Prüfenden sind geplant. Besonders relevant sind Stationen mit großen und kleinen Diskrepanzen zwischen Punktescore und SVL, um zu untersuchen, welche Kriterien Prüfende in Entscheidung einbeziehen. Zudem stellt sich die Frage, wie Assessment-Ergebnisse – insbesondere der PJ-Reife OSCE – im Verlauf des PJ genutzt werden können.

Take Home Message:

  • Punktescores weisen eine höhere Reliabilität als SVL auf, was auf unterschiedliche Bewertungslogiken hindeuten könnte.
  • Die Herausforderung besteht darin, eine Balance zwischen standardisierten Bewertungsmaßstäben und der notwendigen Subjektivität für kontextbezogene SVL zu finden.

Literatur

[1] Ten Cate O. Entrustment as assessment: Recognizing the ability, the right, and the duty to act. J Grad Med Educ. 2016;8(2):261-262. DOI: 10.4300/JGME-D-16-00097.1
[2] Norcini J, Burch V. Workplace-based assessment as an educational tool: AMEE Guide No. 31. Med Teach. 2007;29(9-10):855-871. DOI: 10.1080/01421590701775453
[3] Rotthoff T. Standing up for subjectivity in the assessment of competencies. GMS J Med Educ. 2018;35(3):Doc29. DOI: 10.3205/zma001175