Jahrestagung der Gesellschaft für Medizinische Ausbildung
Jahrestagung der Gesellschaft für Medizinische Ausbildung
Kommunikative und soziale Kompetenzen – Ergebnisse einer quantitativen Erhebung zum Bedarf bei den Medizinstudierenden der Universität Regensburg
Text
Soziale Kompetenzen sind essenziell für die berufliche Identitätsbildung angehender Ärzt*innen und die interprofessionelle Zusammenarbeit. Im Rahmen des, von der Stiftung Innovation in der Hochschullehre geförderten, Projekts InterPIF am Universitätsklinikum Regensburg sollen die Themen Selbstfürsorge (SF), Chancengleichheit & Diversität (CD), berufliche Identität (PI) und Kommunikation (K) curricular verankert werden.
Forschungsfragen: Die Umfrage untersuchte:
- Wie bewerten Studierende die Relevanz der vier Themen und deren aktuelle Behandlung im Studium?
- Besteht aus Studierendensicht Handlungsbedarf, und welche konkreten Vorschläge gibt es?
Methoden: Eine Online-Umfrage (evasys v10.0) wurde von Dezember 2024 bis Januar 2025 unter Medizinstudierenden der Universität Regensburg durchgeführt. Die subjektive Relevanz der Themen und deren curriculare Unterstützung wurden mit sechsstufigen Likert-Skalen (1=„sehr wichtig“/„sehr gut“ bis 6=„gar nicht wichtig“/„überhaupt nicht“) erfasst. Zudem wurden Wünsche nach Lehrveranstaltungen abgefragt. Gruppenunterschiede (Geschlecht, Altersgruppe, Studienabschnitt, Vorerfahrung) wurden mittels Kruskal-Wallis-Test (α=0,05) analysiert.
Ergebnisse: 213 Studierende nahmen anonym teil. Die Relevanzbewertung war insgesamt hoch, wobei K (Md=1, IQR=1) am wichtigsten erschien, gefolgt von SF (Md=2, IQR=1), CD (Md=2, IQR=2) und PI (Md=2, IQR=1). Die curriculare Umsetzung wurde schlechter bewertet, insbesondere für SF (Md=5, IQR=2) und CD (Md=4, IQR=2). PI und K erhielten Md=3 (IQR=1/2).
72% der Studierenden wünschten sich mehr Lehrveranstaltungen zu SF und K (n=209/210), 53% zu PI (n=208) und 46% zu CD (n=212). Gruppenanalysen zeigten signifikante Unterschiede: Studierende über 25 Jahren bewerteten SF als weniger relevant (Md=3 vs. 2; p=0,007) und K als wichtiger (Md=1 vs. 2; p=0,019). CD wurde von männlichen Probanden als weniger relevant eingeschätzt (Md=3 vs. 2; p=0,001).
Diskussion: Die Ergebnisse zeigen eine Diskrepanz zwischen der hohen Relevanz der Themen und ihrer unzureichenden Integration im Curriculum. Besonders SF und CD wurden als mangelhaft behandelt wahrgenommen. Dies deckt sich mit Studien, die die Bedeutung von K für ärztliche Ausbildung und Patientenzufriedenheit betonen [1] sowie den hohen Stresslevel bei Medizinstudierenden unterstreichen [2]. CD wurde als wichtig erachtet, aber nicht ausreichend behandelt, obwohl Diversität die interkulturelle Kompetenz und Versorgungsqualität verbessern können [3]. Eine Generalisierung der Ergebnisse ist nicht möglich, zudem besteht ein potenzieller Selektionsbias durch die Online-Umfrage.
Take Home Messages:
- Diskrepanz zwischen Relevanz und Umsetzung: Die Themen sind wichtig, aber unzureichend im Curriculum verankert.
- Handlungsbedarf: Besonders die Bereiche Selbstfürsorge und Kommunikation sollten stärker integriert werden.
References
[1] Silverman J, Kurtz S, Draper J. Skills for Communicating with Patients. 3. Auflage. London: CRC Press; 2016. p.328. DOI: 10.1201/9781910227268[2] Di Vincenzo M, Arsenio E, Della Rocca B, Rosa A, Tretola L, Toricco R, Boiano A, Catapano P, Cavaliere S, Volpicelli A, Sampogna G, Fiorillo A. Is There a Burnout Epidemic among Medical Students? Results from a Systematic Review. Medicina (Kaunas). 2024;60(4):575. DOI: 10.3390/medicina60040575
[3] Weiss Roberts L. Belonging, Respectful Inclusion, and Diversity in Medical Education. Acad Med. 2020;95(5):661-664. DOI: 10.1097/ACM.0000000000003215