Jahrestagung der Gesellschaft für Medizinische Ausbildung
Jahrestagung der Gesellschaft für Medizinische Ausbildung
Wenn Lehren zur Belastung wird – Ursachen, Folgen und Bewältigung von Lehr-Ängsten in Gesundheitsfächern
Text
Fragestellung/Zielsetzung: Lehrtätigkeit ist mit einem hohen Stresspotenzial verbunden. In der Folge von Erwartungen auf die Lehre oder während der Lehre können Ängste und Unsicherheiten auftreten, die sich auf die Lehrperson und die Lehre negativ auswirken [1]. Diese sogenannten Lehr-Ängste sind bislang wenig erforscht. Die wissenschaftliche Auseinandersetzung beschränkt sich aktuell auf den Kontext von Fremdsprachenlehre [2]. Dabei ist die Untersuchungen zu Lehr-Ängsten von Lehrenden in Gesundheitsfächern in Deutschland besonders relevant, da die Lehre dort oft mit hoher Verantwortung verbunden ist. Ziel der Studie ist es, Quellen, Folgen und Bewältigungsstrategien von Lehr-Ängsten systematisch zu erfassen und zu benennen
Methoden: Zur Untersuchung von Lehr-Ängsten bei Lehrenden in Gesundheitsfächern wurde eine qualitative Interviewstudie mit einem problemzentrierten Ansatz durchgeführt. Die Datenerhebung erfolgte mittels halbstrukturierter Interviews, die sich auf die individuellen Erfahrungen, Herausforderungen und Bewältigungsstrategien der Lehrenden aus unterschiedlichen gesundheitsbezogenen Disziplinen und mit variierender Lehrerfahrung fokussierten. Die Interviews wurden audiographiert, transkribiert und nach den Prinzipien der thematischen Analyse [3] ausgewertet.
Ergebnisse: Zum Zeitpunkt der Abstracteinreichung wurden 9 Interviews geführt, 11 Interviews sind noch ausstehend. Die vollständigen Interviewergebnisse werden zur Konferenz vorliegen. Schon jetzt lassen sich auf Grundlage der ersten neun Interviews Trends in den Antworten ableiten. Lehrende vermeiden den Begriff „Ängste“ und sprechen stattdessen von Unsicherheit, Sorge oder Beunruhigung. Besonders Lehrende mit wenig Erfahrung sind betroffen, während Ängste bei erfahrenen Lehrenden oft mit der Zeit abnehmen. Klassische Vorlesungen vermitteln mehr Sicherheit als offene Lehrsettings, die von ängstlicheren Lehrenden eher gemieden werden. Erfahrung, Mentoring und Trainings tragen dazu bei, Lehr-Ängste zu reduzieren.
Diskussion: Bereits zum jetzigen Stand der Untersuchung lässt sich festhalten, dass Lehr-Ängste ein beachtenswertes Phänomen darstellen. Die befragten Lehrenden berichten von unterschiedlich starken Belastungen, die nicht nur ihr persönliches Wohlbefinden, sondern auch ihre Lehrstrategien und damit die Qualität der Lehre beeinflussen können. Ein besseres Verständnis von Lehr-Ängsten von Lehrenden in Gesundheitsfächern kann helfen, die Bedingungen für die Möglichkeit guter Lehre zu verbessern und schließlich das Wohlbefinden von Lehrenden sowie nachhaltiges Lernen seitens der Studierenden zu fördern.
Take Home Message: Lehr-Ängste sind besonders bei unerfahrenen Lehrenden in Gesundheitsfächern verbreitet, können aber durch Erfahrung, Mentoring und Trainings reduziert werden, was die Lehrqualität und das Wohlbefinden verbessert.
References
[1] Aydin S. A Systematic Review of Research on Teaching Anxiety. Int Online J Educ Teach. 2021;8(2):730-761.[2] Alruwaili S. The nature of teacher anxiety in English-medium tertiary education in Saudi Arabia. Front Educ. 2023;8:1137432. DOI: 10.3389/feduc.2023.1137432
[3] Braun V, Clarke V. Using thematic analysis in psychology. Qual Res Psychol. 2006;3(2):77-101.