Jahrestagung der Gesellschaft für Medizinische Ausbildung
Jahrestagung der Gesellschaft für Medizinische Ausbildung
„Woher weiß ich, ob es richtig oder falsch ist?“ Zur Vermittlung ethischer Reflexions-, Argumentations- und Urteilskompetenzen in Gesundheitsfächern und -berufen
2LMU München, Institut für Ethik, Geschichte und Theorie der Medizin, München, Deutschland
Text
Fragestellung/Zielsetzung: Kritisch denken können ist eine Schlüsselkompetenz für moralische Entscheidungen in Gesundheitsberufen. Gerade vor dem Hintergrund pluralistischer Wertvorstellungen bergen solche Entscheidungen Konfliktpotential, weshalb sie insbesondere in der Ausbildung zu einem Gesundheitsberuf als herausfordernd wahrgenommen werden können. Um solchen Herausforderungen angemessen begegnen zu können, ist es erforderlich, dass Studien- und Ausbildungsgänge Lernanlässe schaffen, damit Lernende ethische Kompetenzen erwerben können. Es stellt sich dabei die Frage, wie Fähigkeiten zur kritischen Auseinandersetzung mit komplexen moralischen Fragen gefördert werden können.
In diesem Vortrag beschäftigen wir uns mit der Förderung ethischer Kompetenzen im Rahmen der Ausbildung bzw. des Studiums von Gesundheitsfächern und -berufen (einschließlich der Medizin). Wir legen den Fokus auf die Vermittlung von ethischen Reflexions-, Argumentations- und Urteilsbildungskompetenzen zur Bearbeitung moralischer Herausforderungen im beruflichen Alltag.
Methoden: In unserem Beitrag zeigen wir zunächst auf, wie ethische Reflexions-, Argumentations- und Urteilsbildungskompetenzen definiert werden können. Ausgehend von den Definitionen leiten wir geeignete Lehrmethoden ab, mit denen ihr Erwerb gefördert werden kann. Dabei gehen wir sowohl auf die Analyse moralischer Herausforderungen auf gesellschaftlicher Ebene als auch auf moralische Konflikte ein, wie sie sich in der Patientenversorgung im Einzelfall ergeben können.
Ergebnisse: Für die Bearbeitung moralischer Fragen und Konflikte in der Patientenversorgung eignen sich Modelle aus der klinisch-ethischen Fallberatung (z.B. mit der Prinzipienorientierten Fallanalyse). Für die Diskussion kontroverser gesellschaftsrelevanter Themen bieten sich Methoden aus der Argumentationstheorie an, wie z. B. Argumentrekonstruktion und -evaluation sowie moderierte Debatten. Solche Ansätze können für unterschiedliche Gesundheitsfächer und Berufe adaptiert werden.
Diskussion: Anhand unserer Begriffs- und Methodenanalyse stellen wir heraus, inwiefern die Vermittlung von Kompetenzen moralischen Argumentierens und ethischer Urteilsbildung dem Aspekt der Perspektiven- und Wertevielfalt in pluralistischen Gesellschaften Rechnung tragen kann, ohne dabei in eine Begründungsbeliebigkeit zu verfallen.
Take Home Messages:
- Moralische Fragen und Konflikte im Gesundheitswesen können durch Reflexions- und Argumentationskompetenzen strukturiert und nachvollziehbar bearbeitet werden.
- Der Erwerb ethischer Kompetenzen in der Ausbildung in Gesundheitsfächern und -berufen kann durch zielgerichtete Lehr-Lernarrangements gefördert werden.