Logo

Jahrestagung der Gesellschaft für Medizinische Ausbildung


08.-10.09.2025
Düsseldorf


Meeting Abstract

Welchen Einfluss haben Kontaktinterventionen im Jahr 5 Psychiatriepraktikum für Medizinstudierende auf soziale Emotionen? Eine Machbarkeitsstudie mit einem sozialpsychologischen Modell zum Stereotyp-Emotions-Verhaltens-Zusammenhang

Michaela Wagner-Menghin 1,2
Frauke Schultze-Lutter 3,4
Anastasia Theodoridou 5,6
Rebecca Jahn 1,2
Christian Theisen 7
Johannes Wancata 1,2
Daniel König 1,2
1Medizinische Universität Wien, Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Klinische Abteilung für Sozialpsychiatrie, Wien, Österreich
2Medizinische Universität Wien, Comprehensive Center for Clinical Neurosciences and Mental Health, Wien, Österreich
3Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, LVR-Klinikum Düsseldorf, Klinik und Polyklinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Medizinische Fakultät und Universitätsklinikum Düsseldorf, Düsseldorf, Deutschland
4Airlangga University, Faculty of Psychology, Department of Psychology, Surabaya, Indonesien
5Universität Zürich, Psychiatrische Universitätsklinik Zürich, Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik, Zürich, Schweiz
6Psychiatrie Baselland, Erwachsenenpsychiatrie, Liestal, Schweiz
7Kliniken der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, LVR-Klinikum Düsseldorf, Klinik und Polyklinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Düsseldorf, Deutschland

Text

Fragestellung/Zielsetzung: Interventionen, die auf der Kontakthypothese basieren, bauen Stereotype und Vorurteile ab, die in der Gesellschaft und bei Fachpersonen u.a. gegenüber Personen mit psychiatrischer Diagnose (PmPD) existieren und zu Diskriminierung führen [1]. Interventionseffekte sind aufgrund verschiedener theoretischer Zugänge und Messverfahren schwer zu operationalisieren. Gemäß sozialpsychologischer Vorurteilsforschung prädizieren die sozialen Emotionen „Bewunderung“, „Mitleid“, „Verachtung“ und „Neid“ Verhaltensabsichten besser als Stereotype [2], daher schlagen wir soziale Emotionen als weitere Outcomevariable vor. Da dieser Forschungsansatz mit Fremdberichten arbeitet, z.B. indem Emotionen der Gesellschaft gegenüber PmPD eingeschätzt werden [3], werden hier die Adjektivskalen für soziale Emotionen (SES) [2], [3], als Online-Selbstbericht für Medizinstudierende überprüft und die Wirkung von passivem vs. aktivem professionellem Kontakt auf soziale Emotionen untersucht.

Methoden: Der E-Mail-Einladung des Studiensekretariats zur anonymen Teilnahme an der Online-Befragung folgten 101 Studierende (17%, w:58%). Erfragt wurde Vertrautheit mit PmPD (5 ja/nein Fragen), erlebter professioneller Kontakt während der Ausbildung (2 Wahlfragen) und Erkenntnisse aus dem Praktikum (2 Fragen). Eingeschätzt wurden erlebte soziale Emotionen gegenüber PmPD mit den SES (2 Adjektive/Skala) sowie 23 weiteren Emotionsadjektiven (Skala 1/gar nicht -5/äußerst).

Ergebnisse: Die vier SES erwiesen sich im Selbstbericht als reliabel, nachdem den Skalen „Bewunderung“, „Mitleid“ und „Verachtung“ jeweils ein Adjektiv hinzugefügt wurde (α3-items=0,68; 0,59; 0,55; M/SD=2,32/0,86; 3,39/0,82; 1,24/0,28; Neid, α2-items=0,64; M/SD=1,29/0,51). Mehr passiver Kontakt (z.B. Beobachten) geht mit mehr „Mitleid“ einher (R2=0,08; p=0,02/β=0,23; p=0,03), mehr aktiver Kontakt (z.B. Aufnahmegespräch führen) mit höherer „Bewunderung“ (R2=0,05; p=0,06/β=0,18; p=0,08), beide Effekt sind klein. Erkenntnisgewinn korrespondiert mit höheren Werten für „Mitleid“ und „Bewunderung“ und erhöht R2 beider Modelle signifikant. (R2=0,14/R2=0,13).

Diskussion: Mit den vorgestellten Skalen liegen erstmals reliable, deutschsprachige Online-Selbstbericht Instrumente für soziale Emotionen vor. Der Ausprägungsgrad von „Mitleid“ (mittel), „Bewunderung“ (eher niedrig) und „Neid“ (sehr niedrig) gegenüber PmPD im studentischen Selbstbericht ähnelte fremdberichteten Reaktionen in einem US-Sample (Mechanical Turk) [3]. Hingegen war der Grad der „Verachtung“ im studentischen Selbstbericht geringer ausgeprägt. Aktive und passive Kontaktinterventionen korrelieren mit sozialen Emotionen auf unterschiedliche Weise.

Take Home Message: Die theoriegeleitete Weiterentwicklung von Kontaktinterventionen in der Lehre sind anhand des Modells zum Stereotyp-Emotion-Verhaltens Zusammenhang möglich. Die Selbstbericht-SES eignen sich zur Evaluation eines Effekts in zukünftigen prä-post Studien.


References

[1] Maunder RD, White FA. Intergroup contact and mental health stigma: A comparative effectiveness meta-analysis. Clin Psychol Rev. 2019;72:101749. DOI: 10.1016/j.cpr.2019.101749
[2] Cuddy AJ, Fiske ST, Glick P. The BIAS map: behaviors from intergroup affect and stereotypes. J Pers Soc Psychol. 2007;92(4):631-648. DOI: 10.1037/0022-3514.92.4.631
[3] Sadler MS, Kaye KE, Vaughn AA. Competence and warmth stereotypes prompt mental illness stigma through emotions. J Appl Soc Psychol. 2015;45(11):602-612. DOI: 10.1111/jasp.12323