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Jahrestagung der Gesellschaft für Medizinische Ausbildung


08.-10.09.2025
Düsseldorf


Meeting Abstract

Kann man wissenschaftliches Denken messen? Befunde aus einer Längsschnittstudie im Brandenburgischen Modellstudiengang Medizin

Julia Schendzielorz 1,2
Philipp Jaehn 3,2
Anne Kathrin Thier 3,2
Tim Holetzek 3,2
Kathrin Gödde 3
Christine Holmberg 3,2
1Medizinische Hochschule Brandenburg, Zentrum für Studiengangsentwicklung, Aus- und Weiterbildungsforschung, Neuruppin, Deutschland
2Fakultät für Gesundheitswissenschaften, Gemeinsame Fakultät der Universität Potsdam, der Medizinischen Hochschule Brandenburg und der BTU Cottbus-Senftenberg, Deutschland
3Medizinische Hochschule Brandenburg, Institut für Sozialmedizin und Epidemiologie, Neuruppin, Deutschland

Text

Fragestellung/Zielsetzung: Der sichere und reflektierte Umgang mit wissenschaftlichen Erkenntnissen ist eine Schlüsselkompetenz für Mediziner*innen und Grundlage für eine qualitativ hochwertige Patient*innenversorgung. Wissenschaftliches Denken sollte daher im Medizinstudium systematisch gefördert werden [1]. Im Rahmen der Entwicklung des Brandenburgischen Modellstudiengangs Medizin (BMM) wurde ein wissenschaftliches Curriculum etabliert, das den Erwerb dieser Kompetenzen adressiert [2]. Zur Messung der Entwicklung wissenschaftlicher Kompetenzen wird seit 2018 der Critical Health Competence Test eingesetzt, der die Kompetenzbereiche Verständnis medizinischer Konzepte, Literaturrecherche, Statistik und Studiendesign erfasst und aus vier Testszenarien besteht [3].

Methoden: Die Testszenarien (S1-S4) wurden im 1., 6., 7. und 10. Semester eingesetzt (Längsschnittstudie). Die Teilnahme war freiwillig, die Datenerhebung erfolgte pseudonymisiert. Zur Beschreibung der Stichprobe wurden bei S1 soziodemographische Daten wie Alter und Geschlecht erhoben. Die Auswertung der Ergebnisse erfolgte mit SPSS 23.0, wobei die Itemvariablen und die Personenparameter (PP) pro Kohorte und Testzeitpunkt berechnet wurden.

Ergebnisse: Bis zum Winter 2024 wurden die Tests S1-S3 in sieben Kohorten (K1-K7) und S4 in vier Kohorten (K1-K4) durchgeführt. Insgesamt nahmen 788 Studierende teil, mit einer durchschnittlichen Teilnahmequote von 66% über alle Messzeitpunkte. Das Durchschnittsalter bei S1 betrug 23 Jahre, der Frauenanteil lag bei 76%. Die mittleren PP stiegen von S1 (374,2) bis S3 (660,8) um durchschnittlich 286,6 Punkte an. Bei S4 wurde ein Rückgang auf 564,5 Punkte beobachtet, der Wert blieb jedoch über dem Niveau von S2 (482,6). Auch für die Kohorten K5-K7 war ein Anstieg von S1 zu S3 um durchschnittlich 261 Punkte zu verzeichnen. Im Allgemeinen sind die Teilnahmequoten im Zeitverlauf für alle Kohorten zurückgegangen, auffällig waren hierbei K2/S4 (n=15, 31,9 %) und K5/S3 (n=7, 14,9 %).

Diskussion: Die Ergebnisse dieser ersten bekannten Längsschnittstudie zum wissenschaftlichen Denken zeigen deutliche Kompetenzzuwächse über die Studienjahre hinweg. Die höchsten gemessenen PP bei S3 sind vergleichbar mit den Ergebnissen aus [3]. Weitere Forschung ist notwendig, um die langfristigen Effekte eines strukturierten wissenschaftlichen Curriculums zu überprüfen. Kritisch zu betrachten sind die sinkenden Teilnahmequoten, die auf Motivationsprobleme der Studierenden hindeuten.

Take Home Message: Ein strukturiertes wissenschaftliches Curriculum scheint die Kompetenzentwicklung zu unterstützen, methodische Einschränkungen erschweren jedoch eine eindeutige Zuordnung einzelner Effekte.


References

[1] Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina; Medizinischer Fakultätentag. Die Bedeutung von Wissenschaftlichkeit für das Medizinstudium und die Promotion. Halle (Saale): Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina, Medizinischer Fakultätentag; 2019.
[2] Schendzielorz J, Jaehn P, Holmberg C. Planning, implementation and revision of the longitudinal scientific curriculum at the Medical School Brandenburg. GMS J Med Educ. 2024;41(2):Doc16. DOI: 10.3205/zma001671
[3] Steckelberg A, Hülfenhaus C, Kasper J, Rost J, Mühlhauser I. How to measure critical health competences: development and validation of the Critical Health Competence Test (CHC Test). Adv Health Sci Educ Theory Pract. 2009;14(1):11-22. DOI: 10.1007/s10459-007-9083-1