Jahrestagung der Gesellschaft für Medizinische Ausbildung
Jahrestagung der Gesellschaft für Medizinische Ausbildung
Stressvolle Reanimation? Wie multisensorische Simulationen das Stresserleben und die Reanimationsleistung Medizinstudierender beeinflussen
2TU Dresden, Medizinische Fakultät und Universitätsklinikum Carl Gustav Carus, Institut für Didaktik und Lehrforschung in der Medizin, Dresden, Deutschland
3TU Dresden, Medizinische Fakultät und Universitätsklinikum Carl Gustav Carus, Klinik und Poliklinik für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde, Dresden, Deutschland
Text
Fragestellung: Das Beherrschen von notfallmedizinische Grundlagen, insbesondere die kardiopulmonale Reanimation (CPR), sind essenzielle Kompetenzen für Medizinstudierenden. Regelmäßige Übungseinheiten in Simulationen ermöglichen das Training unter standardisierten Bedingungen und stellen komplexe Szenarien realistisch dar [1].
Notfallsituationen sind jedoch von Stress und unerwarteten Umständen geprägt, die die Reanimationsleistung beeinträchtigen können [2]. Studien zeigen, dass Stress technische und nicht-technische Fähigkeiten (NTS) beeinflusst und so den Reanimationserfolg mindern kann [3].
Das Ziel der Studie war die Entwicklung und Untersuchung eines realitätsnahen Simulationstrainings im Multisensorischen Interaktionsraum (MIR). Durch die gezielte Einbindung von Distraktoren sollte das Stresserleben erhöht und mögliche Auswirkungen auf die CPR-Qualität sowie non-technische Fähigkeiten (NTS) erfasst werden.
Methoden: Die experimentelle Studie wurde im MIR der HTWD durchgeführt, einer Medieninstallation mit 270°-Projektionen, 16-Kanal-Audiosystem, taktilen Displays und Geruchsausgaben zur Simulation realistischer Umgebungen.
In drei Notfallszenarien wurden verschiedene Distraktoren simuliert. Im Stadionszenario waren umgebende Personen, Lautstärke und Popcorngeruch präsent. Im Diskothekenszenario standen schlechte Lichtverhältnisse, Rauch sowie laute Musik im Vordergrund. Das Kontrollszenario beinhaltete keine Distraktoren. Die Szenarien wurden randomisiert durchgeführt.
Erfasst wurden physiologische und psychologische Stressindikatoren. Physiologischer Stress wurde durch Herzfrequenzmessung und Cortisol und α-Amylase-Konzentration im Speichel ermittelt. Der psychologische Stress wurde mittels der State-Komponente des State-Trait-Angstinventars (STAI) als Selbsteinschätzung erfasst.
Die Reanimationsleistung wurde durch die Effektive Kompressionsrate (ECR) beurteilt und die NTS mit der TEAMS-Checkliste bewertet.
Ergebnisse: Die vorläufigen Ergebnisse, basierend auf 14 Trainingsgruppen mit insgesamt N = 45 Medizinstudierenden (Alter: M=27,11, SD=6,75), zeigen, dass das Disko-Szenario das höchste subjektive Stresserleben aufweist (Disko: M=78,9, SD=22,4; Blanko: M=73,3, SD=18,3; Handball: M=70,5, SD=19,5), welche die Reanimationsleistung gemessen am ERC beeinträchtigt (Disko: M=0,72, SD=0,10; Handball: M=0,76; SD=0,72; Blanko: M=0,73, SD=0,69).
Diskussion: Der MIR stellt als realitätsnahe, standardisierte Simulationsumgebung ein vielversprechendes Konzept dar. Durch die gezielte Konfrontation mit stressigen Szenarien können Teilnehmende wertvolle Erfahrungen sammeln, ihre NTS in kritischen Situationen gezielt einsetzen, ihre Leistung stabilisieren und den Umgang mit Notfällen verbessern.
Take Home Message: Stress rettet keine Leben – Training schon! Realitätsnahe Simulationen im MIR könnten helfen, den Umgang mit umgebungsbezogenen Stressoren in zeitkritischen Situationen und damit die Reanimationsleistung zu verbessern.
Literatur
[1] Greif R, Lockey A, Breckwoldt J, Carmona F, Conaghan P, Kuzovlev A, Pflanzl-Knizacek L, Sari F, Shammet S, Scapigliati A, Turner N, Yeung J, Monsieurs KG. Lehre in der Reanimation: Leitlinien des European Resuscitation Council 2021. Notf Rett Med. 2021; 24(4):750-772. DOI: 10.1007/s10049-021-00890-0[2] Krage R, Zwaan L, Tjon Soei Len L, Kolenbrander MW, van Groeningen D, Loer SA, Wagner C, Schober P. Relationship between non-technical skills and technical performance during cardiopulmonary resuscitation: does stress have an influence? Emerg Med J. 2017;34(11):728-733. DOI: 10.1136/emermed-2016-205754
[3] Vincent A, Semmer NK, Becker C, Beck K, Tschan F, Bobst C, Schuetz P, Marsch S, Hunziker S. Does stress influence the performance of cardiopulmonary resuscitation? A narrative review of the literature. J Crit Care. 2021;63:223-230.DOI: 10.1016/j.jcrc.2020.09.020