Jahrestagung der Gesellschaft für Medizinische Ausbildung
Jahrestagung der Gesellschaft für Medizinische Ausbildung
Der Einfluss von Gemeinschaftsgefühl auf Kollaboratives Lernen in der Medizinischen Ausbildung
2Klinikum der Universität München, LMU München, Institut für Didaktik und Ausbildungsforschung in der Medizin, München, Deutschland
Text
Fragestellung: Lernen in der medizinischen Ausbildung hat sich von einem individuellen, lehrergesteuerten Prozess zu einem interaktiven, gruppenorientierten Ansatz entwickelt. Durch die kollaborative Konstruktion von Wissen werden klinisches Denken und Teamarbeit gefördert. Wichtige Voraussetzung dafür ist die Integration der Lernenden in eine Gemeinschaft, die individuelle Lernprozesse unterstützt und eine gemeinsame Lernkultur schafft. Das Konstrukt „Sense of Community“ (SoC) beschreibt dabei Zugehörigkeitsgefühle, sozioemotionale Bindungen und gemeinsame Ziele [1].
Der Zusammenhang zwischen SoC und Kollaborativem Lernen, sowie deren Einfluss auf akademischen Erfolg wurde bislang wenig erforscht.
Diese Studie untersucht diesen Zusammenhang anhand validierter Fragebögen. Gezielt werden die verschiedenen SoC-Dimensionen Verbundenheit (Vertrauen, Zugehörigkeit) und Lernen (gemeinsame Ziele) sowie die Formen kollaborativen Lernens analysiert: Initiatives Kollaboratives Lernen als proaktive Zusammenarbeit beim Erarbeiten von Inhalten und Nachrangiges Kollaboratives Lernen als reaktive Unterstützung durch Peers bei Schwierigkeiten [2].
Methoden: Zur Erfassung des SoC wurde die Classroom Community Scale (CCS-D) verwendet [3]. Die Ausprägungen kollaborativen Lernens wurde mit der entsprechenden Teilskala aus dem LIST-Fragebogen erfasst [2]. N=331 Erstsemesterstudierende (68.9% weiblich; Alter: M=20.72±2.72) aus Humanmedizin (96.7%), Zahnmedizin (3.0%) und Molekularer Medizin (0.3%) an der Universität Tübingen nahmen teil. Die Datenanalyse umfasste deskriptive Statistik, Korrelationen und Regressionsanalysen.
Ergebnisse: Die Ausprägung des SoC korreliert mittelstark und positiv mit der Verwendung kollaborativer Lernstrategien (r=.466, p<.001) (siehe Abbildung 1 [Fig. 1]). Ein Regressionsmodell erklärte 22.1% der Varianz (R²=.221, adj. R²=.214; F(1, 339)=91.020, p<.001) mit B=.038 und ß=.466 (beide p<.001). Verbundenheit zeigt sich als signifikanter Prädiktor für Kollaboratives Lernen (R²=.257, adj. R²=.255; F(1, 329)=113.990, p<.001). Sowohl Initiatives Kollaboratives Lernen (R²=.157, adj. R²=.155, F(1, 329)=61.419, p<.001; B=.065, ß=.397, p<.001) als auch Nachrangiges Kollaboratives Lernen hängen stärker von Verbundenheitsgefühlen ab (R²=.277, adj. R²=.275, F(1, 329)=125.976, p<.001; B=.077, ß=.526, p<.001).
Abbildung 1: Streudiagramm von Kollaborativem Lernen und Sense of Community LIST-Fragebogen Skala „Lernen mit Studienkollegen“: 1=sehr selten; 2=selten; 3=manchmal; 4=oft; 5=sehr oft. Classroom Community Scale: Summenscore 0-80 Punkte
Diskussion: Ein ausgeprägter SoC fördert kollaboratives Lernen, insbesondere durch soziale Verbundenheit. Die geringere Bedeutung der Dimension Lernen deutet darauf hin, dass soziale Faktoren einen größeren Einfluss haben als inhaltliche. Diese Ergebnisse können didaktische Konzepte in der medizinischen Ausbildung verbessern, indem der Aufbau einer Lerngemeinschaft gezielt gefördert wird.
Take Home Messages: Ein starker SoC fördert kollaborative Lernstrategien. Soziale Verbundenheit ist entscheidender als gemeinsame Lernziele. Besonders Initiatives Kollaboratives Lernen profitiert von sozialer Verbundenheit.
Literatur
[1] McMillan D, Chavis D. Sense of Community: A Definition and Theory. J Community Psychol. 1986;14:6-23.[2] Knof H, Berndt M, Shiozawa T. The influence of collaborative learning and self-organisation on medical students’ academic performance in anatomy. Ann Anat. 2024;251:152182. DOI: 10.1016/j.aanat.2023.152182
[3] Knof H, Shiozawa T. Validation of the German form of Classroom-Community-Scale (CCS-D). GMS J Med Educ. 2025;42(1):Doc13. DOI: 10.3205/zma001737