Jahrestagung der Gesellschaft für Medizinische Ausbildung
Jahrestagung der Gesellschaft für Medizinische Ausbildung
PAPER – ein akronymbasiertes Schema zur Verbesserung der klinischen Entscheidungsfindung medizinischer Novizen in der akutmedizinischen Behandlungssituation
2Universitätsklinikum Essen, Klinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin, Essen, Deutschland
3Universitätsklinikum Essen, Institut für Didaktik in der Medizin, Essen, Deutschland
Text
Fragestellung: Klinische Entscheidungsfindung (Clinical Decision Making, CDM) ist eine zentrale Kompetenz des ärztlichen Berufs und entscheidend für die Qualität der Patientenversorgung. In der Praxis erfolgt CDM oft unbewusst, eine bewusste Anwendung könnte jedoch das Behandlungsergebnis verbessern. Mit dem NKLM 2.0 werden Lernziele zu CDM explizit thematisiert [https://nklm.de/zend/menu]. Ziel dieser Pilotstudie war es, ein akronymbasiertes Schema (PAPER) zur Unterstützung der CDM zu entwickeln und in einer Lehrstudie auf seine Wirksamkeit zu überprüfen.
Methoden: Zur Entwicklung von PAPER wurde eine Delphi-Umfrage durchgeführt, bei der klinisch tätige Ärzte der Universitätsmedizin Essen mit Tätigkeit in der Notfallmedizin befragt wurden. Das entwickelte Schema wurde anschließend in einer randomisierten kontrollierten Lehrstudie bei Studierenden des 4. klinischen Semesters und des Praktischen Jahres (PJ) evaluiert. Die Studierenden wurden in eine Interventionsgruppe (IG) und eine Kontrollgruppe (KG) unterteilt. Die Anwendung der CDM sowie anästhesiologisch-nicht-technische Skills (ANTS) wurden durch Rater mittels standardisierter Bewertungsbögen erfasst [1]. Zudem wurden die kognitiven Belastungen (CL) der Probanden in den Bereichen intrinsische (ICL), extrinsische (ECL) und germane kognitive Belastung (ECL) durch einen Cognitive Load Questionnaire untersucht [2]. Die statistische Auswertung erfolgte mittels ANOVA und Post-hoc-T-Tests (siehe Abbildung 1 [Fig. 1]).
Abbildung 1: PAPER Schema zur Verbesserung der klinischen Entscheidungsfindung Das PAPER Schema dient zur Verbesserung der klinischen Entscheidungsfindung in der notfallmedizinischen Behandlungssituation. PAPER wurde im Rahmen einer mehrstufigen qualitativen Delphi Befragung von klinisch erfahrenen Fach- und Oberärzten der Universitätsmedizin Essen mit Tätigkeitsbezug zur Notfallmedizin entwickelt. Das fünfstufige Schema soll die kognitive Berabeitung der wichtigsten Punkte für eine gute klinische Entscheidungsfindung in der innerklinischen Akutsituation fördern.
Ergebnisse: Es konnten N=290 Probanden (N=172 4. klinisches Semester, N=118 PJ) eingeschlossen werden. Es wurde kein Unterschied in CDM und ANTS zwischen IG und KG gefunden. Jedoch zeigte sich für die ICL ein signifikanter Unterschied zwischen IG und KG bei Studierenden des 4. klinischen Semesters. Die IG erreichte hier vergleichbare Werte der ICL wie PJ-Studierende. Unabhängig von der Intervention war die CL bei PJ-Studierenden geringer als bei Studierenden des 4. Semesters.
Diskussion: Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass PAPER die ICL insbesondere bei Novizen reduzieren kann. Die Intervention hatte entgegen der Erwartungen keinen direkten Einfluss auf CDM oder ANTS, was auf das begrenzte Zeitfenster für die Einführung des Schemas zurückzuführen sein könnte, da die IG nur ein Kurzseminar zu PAPER erhielt. Die Ergebnisse legen nahe, dass die Einführung einer Maßnahme zur Verbesserung der CDM zu einem früheren Zeitpunkt im Studium, effektiver sein könnte. In Bezug auf CL zeigten PJ-Studierende insgesamt eine geringere kognitive Belastung, was auf ihre größere Erfahrung in multifaktoriellen Umgebungen hinweist.
Take Home Messages: Die Ergebnisse unterstreichen die Bedeutung einer frühzeitigen und aktiven Auseinandersetzung mit CDM im Rahmen der ärztlichen Ausbildung. Besonders für weniger erfahrene Studierende könnte die Anwendung von PAPER zur Reduktion der CL und damit zur Verbesserung des klinischen Denkens beitragen. Die ideale Gestaltung und der Zeitpunkt zur Implementierung der Maßnahme lässt Raum für weitere Untersuchungen.
References
[1] Flin R, Patey R, Glavin R, Maran N. Anaesthetists’ non-technical skills. Br J Anaesth. 2010;105(1):38-44. DOI: 10.1093/bja/aeq134[2] Klepsch M, Schmitz F, Seufert T. Development and Validation of Two Instruments Measuring Intrinsic, Extraneous, and Germane Cognitive Load. Front Psychol. 2017;8:1997. DOI: 10.3389/fpsyg.2017.01997