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Jahrestagung der Gesellschaft für Medizinische Ausbildung


08.-10.09.2025
Düsseldorf


Meeting Abstract

Stigmatisierende Einstellungen gegenüber neurologischen Erkrankungen: Ein Scoping Review zu den Wahrnehmungen von Medizinstudierenden

Patrick Altmann 1
Laura Poschenreithner 1
Haang Jeung-Maarse 2
Birgit Heller 3
Johanna Ebner 1
Judith Jud 1
Tandis Parvizi 1
Birgit Ludwig 1
Paulus Stefan Rommer 1
Thomas Berger 1
Michaela Wagner-Menghin 4
1Medizinische Universität Wien, Univ.-Klinik für Neurologie, Wien, Österreich
2Universität Bielefeld, Medizinische Fakultät und Universitätsklinik, OWL, Bielefeld, Deutschland
3Medizinische Universität Wien, Universitätsbibliothek, Wien, Österreich
4Medizinische Universität Wien, Univ.-Klinik für Psychiatrie, Wien, Österreich

Text

Fragestellung/Zielsetzung: Stigmatisierende Einstellungen gegenüber neurologischen Erkrankungen sind ein globales Gesundheitsproblem mit weitreichenden Folgen für Betroffene. Laut der Weltgesundheitsorganisation führt Stigma zu sozialer Ausgrenzung, verzögerter Diagnostik und schlechterer Versorgung. Medizinstudierende übernehmen während ihrer Ausbildung stereotype Vorstellungen, die ihr zukünftiges ärztliches Handeln prägen können. Ziel dieses Scoping Reviews war es, die wissenschaftliche Evidenz zu den Einstellungen von Medizinstudierenden gegenüber neurologischen Erkrankungen systematisch zu erfassen und die berichteten Stereotype, Emotionen und Verhaltensweisen anhand des Stereotype Content Model (SCM) und BIAS-Frameworks [1] zu analysieren.

Methoden: Im Rahmen eines Scoping Reviews wurden 2430 Titel und Abstracts gescreent, um Studien zu identifizieren, die sich mit den Einstellungen von Medizinstudierenden gegenüber neurologischen Erkrankungen befassten. Eingeschlossen wurden Studien, die Medizinstudierende als Zielgruppe untersuchten, empirische Daten zu Einstellungen, Emotionen oder Verhaltensweisen berichteten und in peer-reviewten Zeitschriften veröffentlicht wurden. 57 Artikel wurden in die finale Analyse aufgenommen.

Ergebnisse: Von den 59 eingeschlossenen Studien untersuchten die meisten deskriptiv die Einstellungen von Medizinstudierenden, während 12 Studien Interventionen evaluierten. Die Studien verteilten sich ausschließlich auf Epilepsie (n=29), Demenz (n=24) und Chronisches Fatigue-Syndrom (CFS, n=2) und wiesen deutliche regionale und methodische Unterschiede auf. Epilepsie-Studien wurden vorwiegend in Ländern mit niedrigem bis mittlerem Einkommen, Demenz-Studien fast ausschließlich in Hochlohnländern und CFS-Studien nur in westlichen Ländern durchgeführt wurden. In Epilepsie-Studien standen Mythen, Fehlannahmen und soziale Normen wie Ehe und Beruf im Fokus, während für Demenz emotionale und caregiver Aspekte beleuchtet wurden. CFS-Studien untersuchten vorrangig Fehlannahmen von Medizinstudierenden. Auch methodisch gab es Unterschiede. Die wenigsten Studien nutzten standardisierte Fragebögen, wobei in Hochlohnländern häufiger validierte Skalen verwendet wurden, während in Ländern mit niedrigerem Einkommen einfachere, oft dichotome Antwortformate dominierten. Qualitative Studien, die tiefere Einblicke in Einstellungen ermöglichen, waren fast ausschließlich in Demenz-Studien zu finden. Demenz-Interventionen beinhalteten häufig direkte Begegnungen mit Betroffenen, während Epilepsie-Programme stärker auf Wissensvermittlung fokussiert waren.

Diskussion: Für viele neurologische Erkrankungen gibt es keine Forschung über stigmatisierende Einstellung von Medizinstudierenden. Die Wahrnehmung unter Medizinstudierenden wird stark durch soziale, kulturelle und curriculare Faktoren geprägt. Künftige Lehrstrategien können die Erkenntnisse dieser Literaturanalyse nützen, um eine Stigmareduktion zu fördern.


References

[1] Cuddy AJ, Fiske ST, Glick P. The BIAS map: Behaviors from intergroup affect and stereotypes. J Person Soc Psychol. 2007;92(4):631-648. DOI: 10.1037/0022-3514.92.4.631