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Jahrestagung der Gesellschaft für Medizinische Ausbildung


08.-10.09.2025
Düsseldorf


Meeting Abstract

Parasoziale Interaktionen (PSI) in Wissenschaftspodcasts: Eine qualitative Analyse zur Förderung von Vertrauen und Glaubwürdigkeit in der Wissenschaftskommunikation

Angelika Taetz-Harrer 1
Jan P. Ehlers 2
1Universität Witten/Herdecke, Fakultät für Gesundheit, Lehrstuhl für die Ausbildung personaler und interpersonaler Kompetenzen im Gesundheitswesen, Witten, Deutschland
2Universität Witten/Herdecke, Fakultät für Gesundheit, Lehrstuhl für Didaktik und Bildungsforschung im Gesundheitswesen, Witten, Deutschland

Text

Fragestellung/Zielsetzung: Wissenschaftspodcasts sind ein niederschwelliges Medium der Wissensvermittlung und gewinnen im Bildungsbereich an Bedeutung. Sie kombinieren narrative Strukturen mit informeller Wissensvermittlung und können durch parasoziale Interaktionen (PSI) die Hörer*innenbindung stärken [1]. Diese Studie untersucht, welche emotionalen und formalen Faktoren Glaubwürdigkeit und Vertrauen beeinflussen. Im Fokus steht die Balance zwischen Nähe und Distanz durch PSI sowie die Wirkung formaler Qualitätskriterien wie Quellenangaben und Moderation [2].

Methoden: Die Analyse basiert auf drei Fokusgruppen (N=10, je 2-5 Teilnehmer*innen) und wurde mittels qualitativer Inhaltsanalyse nach Kuckartz [3] kodiert. Ein deduktiv-induktiver Ansatz und ein Codier-Zirkel sicherten Reliabilität und Konsistenz. Untersucht wurden

  1. der Einfluss emotionaler Faktoren, insbesondere PSI, auf Glaubwürdigkeit,
  2. die Rolle formaler Aspekte wie Struktur und Quellenangaben für Vertrauen und
  3. Bildungs- und Erfahrungseinflüsse auf die Wahrnehmung von PSI und wissenschaftlicher Glaubwürdigkeit.

Ergebnisse: PSI steigern das Engagement, genügen aber nicht für wissenschaftliche Glaubwürdigkeit. Direkte Ansprache, eine authentische Stimme und persönliche Anekdoten stärkten die emotionale Bindung. Weniger akademisch vorgebildete Hörer*innen vertrauten stärker auf die persönliche Sympathie der Sprecher*innen, während akademisch gebildete Hörer*innen klare Quellenangaben und stringente Argumentation forderten. Formale Aspekte waren entscheidend für die Wahrnehmung von Glaubwürdigkeit. Klare Quellenangaben (im Podcast oder in Shownotes) wurden als essenziell bewertet. Eine strukturierte Moderation erleichterte das Zuhören, während abrupte Themenwechsel oder eine hohe Informationsdichte als störend empfunden wurden. Akademisch gebildete Hörer*innen legten besonderen Wert auf die Trennung zwischen wissenschaftlichen Fakten und persönlichen Einschätzungen. Die Ergebnisse zeigen deutliche Gruppenunterschiede: Weniger akademisch vorgebildete Hörer*innen bevorzugten emotionale Ansprache und stärkere Identifikation mit den Sprecher*innen, während akademisch geprägte Hörer*innen kritischer waren und stärker auf formale Qualitätsmerkmale achteten.

Diskussion: Die Ergebnisse zeigen, dass Wissenschaftspodcasts eine Balance zwischen emotionaler Nähe und wissenschaftlicher Distanz benötigen. Während frühere Studien [2] PSI als vertrauensfördernd betrachten, zeigt diese Analyse, dass PSI allein nicht ausreicht, um Glaubwürdigkeit für alle Hörer*innengruppen zu sichern. Weniger akademisch vorgebildete Hörer*innen empfanden PSI als Vertrauensfaktor, während akademisch gebildete Hörer*innen Inhalte stärker hinterfragten und formale Absicherung forderten. Dies unterstreicht die Notwendigkeit einer zielgruppenspezifischen Gestaltung, um Wissenschaftspodcasts als glaubwürdiges Medium weiterzuentwickeln.


References

[1] Schlütz D, Hedder I. Parasocial interaction in science communication: The role of perceived authenticity and engagement. J Sci Commun. 2021;20(3):1-18.
[2] Tukachinsky R, Stever G, Reeder M. The social impact of parasocial relationships. Curr Opin Psychol. 2020;36:168-172.
[3] Kuckartz U, Rädiker S. Qualitative Inhaltsanalyse: Methoden, Praxis, Computerunterstützung. 3. Auflage. Weinheim: Beltz Juventa; 2016.