Deutscher Kongress für Orthopädie und Unfallchirurgie 2025 (DKOU 2025)
Deutscher Kongress für Orthopädie und Unfallchirurgie 2025 (DKOU 2025)
Charakteristika Schwer- und Schwerstverletzter und poststationäre Verläufe – eine Routinedatenanalyse von AOK-Versicherungsdaten im Projekt LeAF Trauma
2Klinik für Unfallchirurgie und Orthopädie, Wiederherstellungs- und Handchirurgie, Verbrennungsmedizin, Bundeswehrzentralkrankenhaus, Koblenz, Deutschland
3Universitätsklinikum Düsseldorf, Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie, TraumaEvidence, Düsseldorf, Deutschland
4Institut für Forschung in der Operativen Medizin (IFOM), Abteilung Biometrie und Registerdatenforschung, Köln, Deutschland
5AUC Akademie der Unfallchirurgie GmbH, München, Deutschland
6Universitätsklinikum Essen, Klinik für Unfall-, Hand- und Wiederherstellungschirurgie, Essen, Deutschland
Text
Zielsetzung und Fragestellung: Das Verständnis der Charakteristika sowie der Verläufe nach schweren und schwersten Verletzungen in Deutschland ist essenziell, um die Versorgungsqualität gezielt zu optimieren. Diese Analyse beschreibt Verletzungen, Behandlung, poststationären Verlauf sowie das Outcome Arbeitsfähigkeit bei Patient*innen im erwerbsfähigen Alter.
Material und Methoden: Schwer- und Schwerstverletzte (entsprechend ISS 9–15/≥16, 18–55 Jahre, 2015–17) wurden in den AOK-Daten identifiziert. Verlegungsketten wurden zu einem Aufenthalt zusammengefasst und die Daten bis 3 Jahre nach Entlassung deskriptiv analysiert (STATA 18.0). Einschlusskriterien: 1. Hauptdiagnose aus ICD-10-GM-Kapitel S (Verletzungen) bei Entlassung, 2. ausgewählte Operationen und Prozeduren (OPS), 3. Mindestarbeitsunfähigkeit 6 Wochen.
Ergebnisse: Eingeschlossen wurden 9.423 Patient*innen (72% männlich; 42% >45 Jahre; 47% Schwerstverletzte; 57% >1 AIS-Region betroffen). 65% erlitten Frakturen (häufigste: Femur (S72) 16%; Rippen/Sternum/Brustwirbelsäule (S22) 9%), 15% Schädel-Hirn-Traumata (S06) und 20% andere Verletzungen (häufigste: intrathorakale Organe (S27) 5%). 12% waren als alkoholisiert (F10.0) kodiert. 57% wurden intensivmedizinisch behandelt, 22% beatmet.
Operiert wurden 73% (59% an den Bewegungsorganen, 27% an mehreren Tagen). Versorgungsassoziierte Komplikationen (aus Kapitel T) traten bei 10%, eine Sepsis bei 2% auf. Innerhalb von 30 Tagen (Median 8 Tage) nach Entlassung traten 16% eine Anschlussheilbehandlung an.
Nach 6 Monaten waren 67% wieder arbeitsfähig, nach 18 Monaten 88%. 1,5% verstarben.
Erneut akutstationär aufgenommen wurden 35% mit insgesamt 5.545 Aufenthalten. Als Hauptdiagnose wurde bei 32% eine Erkrankung aus Kapitel S (Verletzung), bei 15% aus M (Muskel-Skelett-System/Bindegewebe) und bei 10% aus F (Psychische/Verhaltensstörungen) kodiert. Reaktionen auf schwere Belastungen und Anpassungsstörungen (F43) wurden für 3% angegeben.
Nach Entlassung wurden ca. 272.000 ambulante Fälle mit ca. 2 Mio. Leistungen abgerechnet, bei 99% im hausärztlichen und ebenfalls 99% im fachärztlichen Sektor. Psychotherapeutisch behandelt wurden 9%, ein zeitliches Muster war nicht erkennbar. Mindestens eine Schmerzmittelverordnung erhielten 95%, Opioidverordnungen 34% (überwiegend in der 1. Woche nach Entlassung, 27% schwach, 11% stark). Ambulante Schmerzbehandlungen wurden bei 10% verschlüsselt, ohne zeitliches Muster. Bei 18% wurden in Folgeaufenthalten Schmerzen kodiert, bei 4% als Hauptdiagnose. Für 79% wurden Heilmittelleistungen abgerechnet (54±92 Leistungen, Median 29), zu 98% in der Physiotherapie.
Diskussion und Schlussfolgerung: Dies stellt die erste Routinedatenanalyse von Schwer- und Schwerstverletzten in Deutschland dar. Die Daten dieser sehr großen Stichprobe zeigen die aufwändige stationäre und ambulante Behandlung. Die Mehrheit der Patient*innen kehrt in das Arbeitsleben zurück. Eine Limitation entsteht durch die oft kaum mögliche Abgrenzung verletzungsbedingter Diagnosen und Behandlungen von Vor- bzw. Neuerkrankungen.



