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Deutscher Kongress für Orthopädie und Unfallchirurgie 2025 (DKOU 2025)

Deutsche Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie (DGOU), Deutsche Gesellschaft für Orthopädie und Orthopädische Chirurgie (DGOOC), Deutsche Gesellschaft für Unfallchirurgie (DGU), Berufsverband für Orthopädie und Unfallchirurgie (BVOU)
28.-31.10.2025
Berlin


Meeting Abstract

Pädiatrische Traumaversorgung: Ein epidemiologischer Vergleich von Zeiträumen vor und während der Covid19-Pandemie an einem Klinikum der pädiatrischen Maximalversorgung

Tim Tüngler 1,2
Christian Heiß 1,2
Jonas Pawelke 1,2
Gero Knapp 1
Thaqif El Khassawna 2
Ammar Samha
Christoph Biehl 1
1Klinik und Poliklinik für Unfall-, Hand- und Wiederherstellungschirurgie, Gießen, Deutschland
2Experimentelle Unfallchirurgie, Justus-Liebig-Universität, Gießen, Deutschland

Text

Zielsetzung und Fragestellung: Pädiatrische Traumata stellen aufgrund der physiologischen und anatomischen Besonderheiten bei Kindern eine Herausforderung im Rahmen der klinischen Versorgung dar. Diese wurden durch die Covid19-Pandemie sowie den damit verbundenen Schutzmaßnahmen wie Lockdowns und Kontaktbeschränkungen zusätzlich beeinflusst. Hieraus ergaben sich neue Herausforderungen in der klinischen Versorgung, welche Anpassungen in den Behandlungsprotokollen erforderten.

Diese Studie untersucht die Auswirkungen der Pandemie auf Inzidenz, Verletzungsmuster, Behandlungsqualität und wirtschaftliche Aspekte der pädiatrischen Unfallchirurgie. Durch den Vergleich präpandemischer und pandemischer Daten sollen Anpassungen in der klinischen Praxis analysiert und Handlungsempfehlungen zur Optimierung der pädiatrischen Traumaversorgung in zukünftigen Krisensituationen entwickelt werden.

Material und Methoden: Diese retrospektive Kohortenstudie untersucht Daten pädiatrischer Traumapatienten (< 18 Jahre) im Zeitraum der Covid19-Pandemie von März 2020 bis Juni 2021 aus der Notaufnahme eines Klinikums der Maximalversorgung. Zum Vergleich wurden präpandemische Daten desselben Klinikums zwischen März 2019 und März 2020 herangezogen. Erfasst wurden deskriptive, epidemiologische Parameter, klinische Daten (Verletzungscharakter, Verweildauer im Krankenhaus, Dauer der Notfallbehandlung und Verwendung bildgebender Diagnostik) sowie ökonomische Aspekte (Ressourcennutzung, Behandlungsaufwand). Die Datenerfassung erfolgte mittels SPSS® und umfasste eine deskriptive Auswertung mit nachfolgender Signifikanzprüfung (nichtparametrischer Test: Mann-Whitney-U-Test, Signifikanzniveau p ≤ 0,05).

Ergebnisse: Die deskriptive Datenauswertung zeigte eine signifikante Veränderung der Unfallarten: Häusliche Verletzungen nahmen stark zu (24,8% auf 65,2%, p < 0,001), während Unfälle im Freien (44,1% auf 28,4%), Schul- und Sportunfälle (15,1% auf 6,2%) sowie Verkehrsunfälle (16,0% auf 2,1%) deutlich zurückgingen. Dabei stieg der Anteil dringlicher Verletzungen (N2) gemäß der operativen Dringlichkeitsstufen signifikant an (39,1% auf 53,4%). Zudem zeigte sich während der Pandemie eine signifikante Reduktion der Röntgendiagnostik (p < 0,001), während die Nutzung der Computertomographie konstant blieb (p = 0,277). Die Länge des Krankenhausaufenthaltes und die Behandlungsdauer waren nicht signifikant verändert.

Diskussion und Schlussfolgerung: Insgesamt deuten die Ergebnisse auf modifizierte Behandlungsstrategien mit optimierter Ressourcennutzung hin, während zentrale diagnostische Standards erhalten blieben. Aufgrund der Vielzahl an häuslichen Verletzungen zeigt sich die Notwendigkeit präventiver Maßnahmen zur Reduktion des Verletzungsrisikos im häuslichen Umfeld. Ein flexibler Ressourceneinsatz sowie die Priorisierung diagnostischer und therapeutischer Maßnahmen bei gleichzeitiger Minimierung von Patientenkontakten sind zu empfehlen. Unter Beachtung dieser Studie sowie weiterer Studien über Belastungen des Gesundheitssystems im Rahmen der Pandemie könnte eine Leitlinie für den Umgang mit Krisensituationen im klinischen Setting erarbeitet werden.