Deutscher Kongress für Orthopädie und Unfallchirurgie 2025 (DKOU 2025)
Deutscher Kongress für Orthopädie und Unfallchirurgie 2025 (DKOU 2025)
Quantitative Analyse der neuromuskulären Ermüdung in der Oberflächen-Elektromyographie bei Schulterbewegungen
Text
Zielsetzung und Fragestellung: Die quantitative Erfassung neuromuskulärer Ermüdung mittels Oberflächen-Elektromyografie (sEMG) bietet wertvolle Einblicke in die muskuläre Funktion. Ein besseres Verständnis der Ermüdungsdynamik ermöglicht effektivere Rehabilitationsstrategien und reduziert das Risiko von Folgeverletzungen. Während Pilotstudien zur sEMG-gestützten Ermüdungsanalyse bereits für Muskelgruppen der unteren Extremitäten veröffentlicht wurden, ist diese Technik bislang nicht zur Beurteilung muskulärer Dysbalancen bei Patienten mit Schulter- und skapulothorakalen Pathologien eingesetzt. In dieser Studie wurde ein neuer Analysealgorithmus entwickelt und validiert, der die Continuous Wavelet Transform (CWT) zur Datenauswertung nutzt.
Material und Methoden: Zur Erfassung der Ermüdung wurde ein standardisiertes Bewegungsprotokoll entwickelt. Elf 6-Sekunden lange Schulterabduktionszyklen wurden zunächst ohne Zusatzgewicht (W1) und anschließend mit 2-kg-Hanteln (W2) durchgeführt. Zwischen den Durchgängen wurden jeweils zweiminütige Pausen eingehalten. Die Elektroden wurden gemäß SENIAM-Empfehlungen am M. trapezius descendens (TD) und M. trapezius ascendens (TA) beidseits angebracht.
Die sEMG-Signale (2.000 Hz Abtastrate) wurden mit MATLAB analysiert. Nach einer Signalfilterung (Butterworth-Filter: 20–500 Hz, Notch-Filter: 50 Hz) wurde das Signal in 1-Sekunden-Fenster mit 50% Überlappung unterteilt und mittels CWT analysiert.
Die Medianfrequenz wurde für jedes Fenster als jene Frequenz bestimmt, bei der 50% der Gesamtenergie erreicht werden. Die Muskelermüdung wurde anhand der Steigung einer linearen Regressionsanalyse der Medianfrequenzen berechnet. Eine negativere Steigung zeigt stärkere Ermüdung.
Ergebnisse: Insgesamt wurden 72 sEMG-Signale analysiert. Das Protokoll konnte erfolgreich auf alle aufgezeichneten Signale angewendet werden, und der Algorithmus verarbeitete die Daten ohne technische Probleme. Die Ergebnisse zeigen eine signifikante Ermüdung im TD als Reaktion auf die Zusatzlast (rW0= -0,019401; rW1= -0,069501; Δ= -72%, p< 0,0001), während die für den TA beobachtete Ermüdung keine Signifikanz aufweist (rW0= -0,027230; rW1= -0,039120; Δ= -30%, p: n.s.).
Ein Trend zu erhöhter Ermüdung auf der nicht-dominanten Seite wurde für den TD festgestellt (rW0(Dom)= -0,01432; rW0(ND)= -0,02449; Δ= -42%, p: n.s.). Der TA zeigt dagegen keine Unterschiede zwischen dominanter und nicht-dominanter Seite (rW0(Dom)= -0,02717; rW0(ND)= -0,02729; Δ= 0%, p: n.s.).
Diskussion und Schlussfolgerung: Die Ergebnisse bestätigen die Gültigkeit der vorgestellten Methode zur Beurteilung von neuromuskulärer Ermüdung. Der TD zeigt eine deutliche Ermüdung infolge der zusätzlichen Belastung, während der TA nur eine leichte Ermüdungsreaktion aufweist. Diese Erkenntnisse unterstreichen das Potenzial dieses Ansatzes für eine individualisierte Rehabilitationsüberwachung und des Belastungsmanagements in klinischen und sportmedizinischen Anwendungen.



