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Deutscher Kongress für Orthopädie und Unfallchirurgie 2025 (DKOU 2025)

Deutsche Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie (DGOU), Deutsche Gesellschaft für Orthopädie und Orthopädische Chirurgie (DGOOC), Deutsche Gesellschaft für Unfallchirurgie (DGU), Berufsverband für Orthopädie und Unfallchirurgie (BVOU)
28.-31.10.2025
Berlin


Meeting Abstract

Der geriatrische Traumapatient – mehr Risiko, zu wenig Beachtung?

Daniel Koch 1
Uwe Schweigkofler 1
Lars Becker 2
Christian Waydhas 2
Paul Hagebusch 1
Philipp Faul 1
Rolf Lefering 3
Florian Pavlu 4
Dan Bieler 4
Lisa Hackenberg 4
1Zentrum für Notfallmedizin, BG Unfallklinik Frankfurt am Main, Frankfurt am Main, Deutschland
2Klinik für Unfall-, Hand- und Wiederherstellungschirurgie, Universitätsklinikum Essen, Essen, Deutschland
3Institut für Forschung in der Operativen Medizin (IFOM), Universität Witten/Herdecke, Köln, Deutschland
4Klinik für Unfallchirurgie und Orthopädie, Wiederherstellungs- und Handchirurgie, Verbrennungsmedizin, Bundeswehrzentralkrankenhaus Koblenz, Koblenz, Deutschland

Text

Zielsetzung und Fragestellung: Mit der zunehmenden Alterung der Bevölkerung nimmt die Anzahl geriatrischer Traumapatienten stetig zu, was erhebliche Herausforderungen für die Notfallmedizin und das Traumamanagement aufwirft. Strukturierte Protokolle zur Schockraumalarmierung zielen darauf ab, schwerverletzte Patienten zeitgerecht und adäquat zu versorgen. Aktuelle Evidenz legt jedoch nahe, dass die gegenwärtigen Triage-Kriterien den spezifischen physiologischen Besonderheiten älterer Patienten unzureichend Rechnung tragen, was zu einer Untertriage und eine damit assoziierte Verschlechterung der Behandlungsergebnisse zur Folge haben könnte.

Material und Methoden: In dieser prospektiven, multizentrischen Kohortenstudie wurde die Aktivierung des Schockraums (SR) sowie Triage-Praktiken bei Patienten im Alter von ≥70 Jahren an 12 überregionalen Traumazentren in Deutschland und der Schweiz untersucht. Die Datenerhebung erfolgte zwischen Dezember 2019 und Februar 2021 unter Berücksichtigung der STROBE-Leitlinien. Die SR-Alarmierungsentscheidungen wurden mit den Konsenskriterien des TAcTIC-Protokolls verglichen, somit konnte die Häufigkeit von Untertriage und Übertriage bestimmt werden. Primäre Endpunkte der Analyse umfassten die Aktivierungsrate des SR, die Verletzungsschwere, Transportcharakteristika sowie die frühzeitige Mortalität innerhalb von 48 Stunden.

Ergebnisse: Von insgesamt 3.753 untersuchten Traumapatienten waren 1.371 (36,5%) geriatrisch (≥70 Jahre). Die SR-Alarmierung erfolgte in der geriatrischen Gruppe deutlich seltener (15,8%) als bei jüngeren Patienten (31,8%), trotz vergleichbarer Verletzungsschwere. Eine Post-hoc-Analyse zeigte, dass 53,8% der geriatrischen Patienten, die eine Traumaversorgung benötigt hätten, untertriagiert wurden. Kopfverletzungen (47,7%) und Beckenfrakturen (5,7%) traten in der geriatrischen Kohorte häufiger auf als in der jüngeren Vergleichsgruppe. Die Mortalität innerhalb von 48 Stunden war bei geriatrischen Patienten ebenfalls deutlich erhöht (1,8% vs. 0,5%).

Diskussion und Schlussfolgerung: Die Ergebnisse dieser Studie verdeutlichen, dass die Untertriage geriatrischer Traumapatienten ein weiterhin bestehendes und schwerwiegendes Problem darstellt, welches die Defizite der Schockraumalarmierungskriterien offenlegt. Eine weitere Anpassung der Alarmierungskriterien, die altersassoziierte physiologische Veränderungen, Komorbiditäten und Gebrechlichkeit umfassender berücksichtigt, erscheint notwendig. Kommende Revisionen der S3 Polytrauma-Leitlinie der DGU sollten erneut darauf fokussieren, die Untertriage-Rate zu minimieren und dadurch die klinischen Behandlungsergebnisse dieser vulnerablen Patientengruppe nachhaltig zu verbessern.