Deutscher Rheumatologiekongress 2025
Deutscher Rheumatologiekongress 2025
Between the lines – Mittellinienläsion zwischen Autoimmunität und Kokainwirkung
2Universität zu Lübeck, Lübeck
Text
Vorgeschichte: Ein 48-jähriger Patient mit 2021 extern diagnostizierter Granulomatose mit Polyangiitis (GPA) (initial: C-ANCA 1:40, PR3-AK 117 U/ml) stellte sich mit einer progredienten destruierenden Mittellinienläsion vor. Eine Rituximab-Therapie (RTX) war aufgrund mangelnder Compliance ausgesetzt. Stattdessen wurden selbstständig orale Glukokortikoide bis zu 150 mg/d eingenommen. Zwölf Monate zuvor hatte sich sich eine punktförmige, verkrustete Läsion am linken Nasenflügel entwickelt, die durch Manipulation aggraviert eine Größe von 2x1 cm erreichte. Zudem Abgang blutiger nasaler Krusten und persistierende eitrige Wunde nahe der rechten Caruncula lacrimalis, Dyspnoe und Nachtschweiß.
Vorerkrankungen: 2019 Acute Respiratory Distress Syndrome (ARDS) bei Legionellen-Pneumonie mit ECMO-Therapie. 2022 Covid-Pneumonie. Seit 2019 Diabetes mellitus Typ II.
Leitsymptom bei Krankheitsmanifestation: Destruierende Mittellinienläsion.
Diagnostik:
Labordiagnostik:
Autoimmunserologie: Urinbefund (Sammelurin)
Befunde:
Therapie: Unter Rituximab (RTX 375mg/m² Körperoberfläche Tag 0, 7, 14 und 21) und Avacopan (12 Monate) wurde eine Remission eingeleitet, gefolgt von einer 12-monatigen Rituximab-Erhaltungstherapie nach dem RITAZAREM-Schema und anschließend MAINRITSAN-Schema.
Weiterer Verlauf: Auf mehrmalige Nachfrage gab der Patient schließlich einen ausgeprägten Kokainkonsum an. Kokain und Levamisol können Autoimmunphänomene wie eine ANCA-Produktion auslösen [1], [2], [3]. Drei hiermit assoziierte Krankheitsbilder können eine GPA imitieren: Die Kokain-induzierte Mittellinien-destruierende Läsion (CIMDL) ähnelt einer lokalisierten GPA, während das Kokain-assoziierte leukozytoklastische Immunkomplex-Vaskulitis-Syndrom (CLIV)/Kokain-induzierte Vaskulitis (CIV) systemische Manifestationen einschließlich einer nekrotisierenden Glomerulonephritis zeigen kann [4], [5]. Die Levamisol-verunreingtes Kokain (LAC)-Vaskulopathie/Vaskulitis geht mit Mittellinien-destruierenden Läsionen und sytemischen Manifestationen einher. Während bei der CIMDL meist P-ANCA im IFT und PR3-ANCA und/oder Elastase-ANCA im ELISA nachgewiesen werden, werden beim CLIV/CIV typischerweise P-ANCA mit einer dualen Antigen-Spezifität für PR3- und MPO-ANCA oder aber nur PR3-ANCA gefunden. Bei der (LAC)-Vaskulupathie/Vaskulitis werden P- und/oder C-ANCA sowie PR3,- Elastase- Laktoferrin- und/oder MPO-ANCA gefunden, also häufig ANCA mit mehreren Antigen-Spezifitäten [6].
Die CIMDL kann zu ausgedehnten Zerstörungen von Mittelgesicht, Orbita und Schädelbasis führen und ist häufig mit nekrotischen, ulzerierenden Läsionen und Krusten assoziiert [7], [8] selten jedoch mit systemischen Manifestationen. Eine Unterscheidung zwischen CIMDL und GPA ist histologisch schwierig. Histologische Merkmale von GPA-Läsionen im oberen Respirationstrakt sind landkartenartige Nekrosen, eine unscharf abgegrenzte granulomatöse Entzündung mit Riesenzellen und nekrotisierende Vaskulitis [4].
Dieser Fall verdeutlicht die schwierige Differenzierung zwischen GPA und den Kokain-induzierten Erkrankungen. Aufgrund des ausgeprägten Kokainkonsums ist eine CIMDL wahrscheinlich. Die Lungenbeteiligung einschließlich Zeichen einer alveolären Hämorrhagie sowie das Autoantikörperprofil mit Nachweis eines C-ANCA und PR3-ANCA bei fehlender für eine Kokain-induzierte Vaskulitis typischer ANCA-Konstellationen erschweren eine Abgrenzung zur GPA jedoch.
Abbildung 1 [Fig. 1]
Abbildung 1: Fotodokumentation der destruierenden Mittellinienläsion. Ausgeprägter Defekt bei Läsion am linken Nasenflügel. Zudem besteht eine persistierende eitrige Wunde im Bereich der rechten Caruncula lacrimalis.
Tabelle 1 [Tab. 1]
Tabelle 2 [Tab. 2]
Tabelle 3 [Tab. 3]
Tabelle 3: Urinbefund (Sammelurin)
Tabelle 4 [Tab. 4]
References
[1] Graf J. Rheumatic manifestations of cocaine use. Curr Opin Rheumatol. 2013 Jan;25(1):50-5. DOI: 10.1097/BOR.0b013e32835b4449[2] Wiesner O, Russell KA, Lee AS, Jenne DE, Trimarchi M, Gregorini G, Specks U. Antineutrophil cytoplasmic antibodies reacting with human neutrophil elastase as a diagnostic marker for cocaine-induced midline destructive lesions but not autoimmune vasculitis. Arthritis Rheum. 2004 Sep;50(9):2954-65. DOI: 10.1002/art.20479
[3] Peikert T, Finkielman JD, Hummel AM, McKenney ME, Gregorini G, Trimarchi M, Specks U. Functional characterization of antineutrophil cytoplasmic antibodies in patients with cocaine-induced midline destructive lesions. Arthritis Rheum. 2008 May;58(5):1546-51. DOI: 10.1002/art.23469
[4] Trimarchi M, Bussi M, Sinico RA, Meroni P, Specks U. Cocaine-induced midline destructive lesions - an autoimmune disease? Autoimmun Rev. 2013 Feb;12(4):496-500. DOI: 10.1016/j.autrev.2012.08.009
[5] Subesinghe S, van Leuven S, Yalakki L, Sangle S, D'Cruz D. Cocaine and ANCA associated vasculitis-like syndromes - A case series. Autoimmun Rev. 2018 Jan;17(1):73-7. DOI: 10.1016/j.autrev.2017.11.011
[6] Iorio L, Davanzo F, Cazzador D, Codirenzi M, Fiorin E, Zanatta E, Nicolai P, Doria A, Padoan R. Cocaine- and Levamisole-Induced Vasculitis: Defining the Spectrum of Autoimmune Manifestations. J Clin Med. 2024 Aug 28;13(17):5116. DOI: 10.3390/jcm13175116
[7] Trimarchi M, Bertazzoni G, Bussi M. Cocaine induced midline destructive lesions. Rhinology. 2014 Jun;52(2):104-11. DOI: 10.4193/Rhino13.112
[8] Molteni M, Saibene AM, Luciano K, Maccari A. Snorting the clivus away: an extreme case of cocaine-induced midline destructive lesion. BMJ Case Rep. 2016 Oct 20;2016:bcr2016216393. DOI: 10.1136/bcr-2016-216393