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Deutscher Rheumatologiekongress 2025

53. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie und Klinische Immunologie (DGRh)
39. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Orthopädische Rheumatologie (DGORh)
17.-20.09.2025
Wiesbaden


Meeting Abstract

Gicht – oder doch nicht?

Yvonne Stoll 1
Alla Skapenko 1
Hendrik Schulze-Koops 1
1LMU Klinikum, Medizinische Klinik und Poliklinik IV, Sektion Rheumatologie und Klinische Immunologie, München

Text

Vorgeschichte: Die Vorstellung des 45-jährigen Landwirts erfolgte bei seit einem vor etwa 6 Monaten erlittenen Sturz bestehenden Handgelenksschmerzen. Einige Wochen nach dem Sturzereignis kamen weitere Arthralgien (Ellenbogen, Sprunggelenke) hinzu, teils mit leichten Schwellungen. Ein entzündlicher Rückenschmerz, Haut-/Nagelveränderungen oder Organ-bezogene Beschwerden bestanden nie. In der Vergangenheit kam es mehrmals zu Gichtanfällen mit Beteiligung des rechten Handgelenks und der Sprunggelenke, weshalb eine Medikation mit Allopurinol besteht. Der Hausarzt hatte eine probatorische Prednisolon-Stoßtherapie mit initial 20 mg begonnen, welche nur geringfügig geholfen hatte. In der erweiterten Anamnese berichtet er von einem schmerzhaften Knoten in der linken Mamma, den er erstmalig etwa einen Monat vor dem Sturz bemerkt hatte. Mittels Sono- und Mammographie sei eine Gynaecomastia vera diagnostiziert worden.

Leitsymptom bei Krankheitsmanifestation: Arthralgien (Handgelenke, Ellenbogen, Sprunggelenk) und Gelenkschwellungen (Handgelenke, Ellenbogen)

Diagnostik: Klinisch zeigten sich die Handgelenke sowie die Ellenbogen einschließlich der Enthesen deutlich druckschmerzhaft und geschwollen. Die Mobilität war unbeeinträchtigt, Knie und Ellenbogen tendenziell leicht hypermobil. Inspektorisch fiel eine Vergrößerung der linken Mamma auf. Ansonsten fanden sich klinisch keine weiteren Auffälligkeiten. Sonographisch zeigte sich eine Triceps-Enthesitis. Die Röntgendiagnostik war bis auf eine beidseitige Talonaviculararthrose unauffällig. MR-tomographisch fanden sich in den Handgelenken zum einen strukturelle Veränderungen, passend zum geschilderten Sturz, zum anderen aber auch eine Tendovaginitis und Peritendinitis der Extensor-carpi-ulnaris Sehne (ECU) rechts und eine Tendovaginitis der Flexorensehnen links. Ein Dual-Energy-CT zeigte keine (post-)arthritischen Veränderungen oder Harnsäurekristallablagerungen.

Laborchemisch waren CRP und BSG normwertig, Der ANA-Titer war mit 1:200 erhöht, die ANA-Differenzierung jedoch negativ. Die Bestimmung von Rheumafaktor, CCP-AK, ds-DNS-AK und HLA-B27 war unauffällig. Die beim Hausarzt gemessene Harnsäure war mit 9,8 mg/dl erhöht (Ref. ≤ 7,0), bei uns normwertig.

Es folgte eine endokrinologische Vorstellung zur weiteren Abklärung der Gynäkomastie. In der dort durchgeführten Labordiagnostik konnte eine Erhöhung von Estradiol und SHBG (Sexualhormonbindendes Globulin) festgestellt werden.

Therapie: Wir begannen eine symptomatische Therapie mit Etoricoxib und veranlassten eine Orthesenversorgung. Auf eine erneute Therapie mit Glucocorticoiden verzichteten wir bei vorherigem schlechten Ansprechen. Durch die Ruhigstellung konnte eine signifikante Schmerzreduktion erzielt werden.

Weiterer Verlauf: Östrogen hat direkten Einfluss auf die Straffheit von Ligamenten und Sehnen [1]. Das enge zeitliche gemeinsame Auftreten der Gynäkomastie sowie der Gelenkbeschwerden lässt bei fehlenden sonstigen Hinweisen auf eine entzündlich-rheumatische Erkrankung eine gemeinsame Entität vermuten. Durch die schwere körperliche Arbeit als Landwirt kam es durch die verminderte Gelenkstabilität wohl zu einer Überbelastung der Sehnen.

Die Befunde der weiteren endokrinologischen Diagnostik zum Ausschluss eines Östrogen-produzierenden Tumors stehen noch aus.


References

[1] Chidi-Ogbolu N, Baar K. Effect of Estrogen on Musculoskeletal Performance and Injury Risk. Front Physiol. 2019 Jan 15;9:1834. DOI: 10.3389/fphys.2018.01834