Deutscher Rheumatologiekongress 2025
Deutscher Rheumatologiekongress 2025
Wenn Schmerzen lähmen
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Vorgeschichte: Ein 51-jähriger Patient stellte sich Mitte Februar 2025 in der Notaufnahme vor und klagte über immobilisierende Schmerzen. Die Beschwerden begannen im Frühjahr 2024 mit einer schleichenden Kraftlosigkeit beim Sport, gefolgt von progredienten Schmerzen, die zunächst im Leistenbereich auftraten und sich im Verlauf auf die Knie, Hände und Schultern ausweiteten. Ab Herbst 2024 verschlechterte sich die Symptomatik weiter, mit einer massiven Zunahme der Beschwerden ab Mitte Dezember. Die Schmerzen waren von ausgeprägter Morgensteifigkeit begleitet und führten zu nächtlichem Erwachen. Der Patient hatte die Beschwerden zunächst auf Stress zurückgeführt. Eine Selbstmedikation mit Ibuprofen zeigte nur geringe Wirkung.
Leitsymptom bei Krankheitsmanifestation: Ausgeprägte, immobilisierende Polyarthritis mit Schmerzmaximum in der unteren Extremität, begleitet von Morgensteifigkeit und nächtlichen Schmerzen.
Diagnostik: Laborchemisch fanden sich erhöhte Entzündungswerte und eine normwertige Creatinkinase. Aufgrund einer Kniegelenkschwellung erfolgte eine sterile Punktion des rechten Kniegelenks ohne Nachweis bakterieller Erreger. Eine Sonographie zeigte eine bilaterale Bizepssehnenentzündung sowie eine Kapseldistension der Hüftgelenke. Serologisch fiel ein positiver Lues-Suchtest mit IgG-Nachweis im Bestätigungstest auf, jedoch ohne IgM-Reaktivität. Anamnestisch erinnerte sich der Patient an eine als ausgeheilt erklärte Syphilis vor sechs Jahren, ohne erinnerliche Genitalulzerationen oder weiteren Beschwerden. Neurologisch wurde rezidivierendes Verschwommensehen berichtet, eine Lumbalpunktion erbrachte jedoch keinen Hinweis auf eine Neurosyphilis.
Therapie: Aufgrund der unklaren serologischen Befunde und der schweren Symptomatik erfolgte eine antibiotische Therapie mit Ceftriaxon i.v. über 14 Tage sowie eine Glukokortikoidtherapie mit Prednisolon unter dem Verdacht auf eine reaktive Polyarthritis im Rahmen einer späten Syphilis.
Weiterer Verlauf: Unter der Therapie kam es zu einer Besserung der Symptomatik, jedoch persistierten residuale Gelenkbeschwerden und eine ausgeprägte Morgensteifigkeit. Dies wirft die Frage auf, ob die aus infektiologischer Sicht leitliniengerecht behandelte Spätlues tatsächlich die pathophysiologische Ursache der akuten Polyarthritis darstellte oder ob es sich um eine Koinzidenz handelte. Alternativ könnte eine eigenständige rheumatologische Erkrankung vorliegen, die unabhängig von der positiven Syphilis-Serologie besteht. Diese diagnostische Unsicherheit unterstreicht die komplexe Differenzialdiagnose und die Notwendigkeit einer gründlichen rheumatologischen Abklärung in vergleichbaren Fällen.