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Deutscher Rheumatologiekongress 2025

53. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie und Klinische Immunologie (DGRh)
39. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Orthopädische Rheumatologie (DGORh)
17.-20.09.2025
Wiesbaden


Meeting Abstract

Bitemporale Cephalgien bei einer Patientin mit rheumatoider Arthritis – ein klarer Fall für Tocilizumab?

Philipp Schulte-Terhusen 1
Hilal Kavruk 1
Xenofon Baraliakos 1
1Rheumazentrum Ruhrgebiet, Herne

Text

Vorgeschichte: Wir berichten den Fall einer 63-jährigen Patientin mit einer im Jahr 2017 diagnostizierten, Rheumafaktor-positiven, anti-CCP-positiven rheumatoiden Arthritis, die sich aufgrund akuter bilateral temporaler Cephalgien mit Kau-Claudicatio und intermittierendem Verschwommensehen notfallmäßig vorstellte. Eine probatorische Prednisolontherapie mit 0,5 mg/kg KG pro Tag über 3 Tage hatte anamnestisch keinen Effekt gezeigt. Seit mehreren Monaten bestehe eine zunehmende Nachtschweißneigung mit einem ungewollten Gewichtsverlust von 5 kg in 6 Monaten.

Im Rahmen der auswärtigen ambulant rheumatologischen Behandlung sei die bestehende Therapie mit Methotrexat 20 mg/Woche (subkutan) im Jahr 2023 um Adalimumab 40 mg/14 Tage aufgrund einer nicht ausreichenden Remission erweitert worden. Die peripheren Gelenkbeschwerden seien hierunter ausreichend kontrolliert, umschriebene Gelenkschwellungen oder eine relevante Morgensteifigkeit seien nicht mehr aufgetreten.

Leitsymptom bei Krankheitsmanifestation: Die notfallmäßige Vorstellung der Patientin erfolgte auf neurologische Zuweisung bei seit 7 Tagen akut bestehenden bitemporalen Cephalgien, Kau-Claudicatio und Verschwommensehen. Zudem fiel eine deutliche periorbitale und temporale Schwellung beidseits auf.

Diagnostik: Laborchemisch stellten wir die vorbekannte deutliche Rheumafaktor- und anti-CCP-Positivität fest. Die weitere Autoimmundiagnostik ergab eine ANA-Titer-Elevation auf 1:640 (AC 1) ohne ENA-Differenzierung, ds-DNA-Antikörper, Histon-Antikörper oder DNS-Crithidien. MPO, PR3 und ANCA fielen negativ aus. Serologische Inflammationsparameter, Creatinkinase und Laktatdehydrogenase waren ebenso normwertig wie die weitere Laborchemie.

Die Fast-Track Duplexsonografie am Aufnahmetag ergab keine Anhaltspunkte für ein Halo-Zeichen oder eine relevante IMT-Verbreiterung an A. temporalis, carotis, axillaris oder subclavia beidseits. Eine subkutane ödematöse Auftreibung fiel auf, ließ sich aber sonografisch nicht abschließend zuordnen.

Die weiterführend veranlasste MRT des Schädels mit MRA wies bei unauffälligem Gefäßstatus eine deutliche kontrastmittelaffine Signalanhebung der Temporalmuskulatur im Sinne einer bilateralen Myositis des M. temporalis nach. In einer ergänzend durchgeführten PET-CT-Untersuchung fanden sich keine weiteren entzündlichen Foki oder Hinweise auf eine maligne Grunderkrankung.

Therapie: Wir pausierten die immunmodulatorische Therapie mit Adalimumab, die in seltenen Einzelfällen [1], [2] möglicherweise mit Myositiden assoziiert sein kann und besprachen eine bedarfsadaptierte NSAR-Therapie und engmaschige klinische Verlaufskontrolle. Bei klinischem und bildmorphologischem Befundprogress innerhalb von 4 Wochen entschieden wir uns zu einer weiterführenden Abklärung. Laborchemisch konnte kein Anhalt für eine infektiöse Genese eruiert werden (u.a. Toxoplasmose, Zystizerkose, Trichinellose, virale Infektion, Lues, HIV, Hepatitis, Tuberkulose). DNS-Crithidien und dsDNA-Antikörper zeigten sich inzwischen grenzwertig positiv. Bei eleviertem Immunglobulin G 4 im Serum von 4,53 g/l (Normwert bis 2,01 g/l) organisierten wir eine histologische Befundsicherung in einer Mund-Kiefer-Gesichts-Chirurgie. Histologisch ließ sich eine mäßige Vermehrung IgG4-positiver Plasmazellen ohne Erregernachweis, Vaskulitis oder granulomatöse Inflammation nachweisen. Bei inzwischen zunehmender Krankheitsaktivität der rheumatoiden Arthritis stellten wir die immunmodulatorische Therapie auf Rituximab 1.000 mg an Tag 1 und 14 alle 6 Monate um, Methotrexat führten wir fort.

Die isolierte bitemporale Myositis ist eine sehr ungewöhnliche klinische Erscheinung. Im vorliegenden Fall erscheint eine isolierte Manifestation einer IgG4-assoziierten Erkrankung möglich, welche bislang nur in wenigen Einzelfallberichten erwähnt wurde [3], [4].

Weiterer Verlauf: Der weitere klinische Verlauf im Rahmen des ersten Therapiezyklus wird engmaschig nachverfolgt und aktualisiert präsentiert.


References

[1] Gaboriau L, Davion JB, Combret S, Lebrun-Vignes B, Rocher F, Rouby F, Renaud F, Morell-Dubois S, Gautier S. Adalimumab and myositis: A case report and review of the French and international Pharmacovigilance Databases. Neuromuscul Disord. 2020 Nov;30(11):915-20. DOI: 10.1016/j.nmd.2020.09.026
[2] Chavarría-Miranda A, Hernández Lain A, Toldos González O, Pedraza Hueso MI. Immune-mediated necrotising myopathy after treatment with adalimumab in a patient with HLA-B27 ankylosing spondylitis. Neurologia (Engl Ed). 2021 Oct;36(8):631-2. DOI: 10.1016/j.nrleng.2021.06.001
[3] Suresh SC, Hasan A, Zonnoor SL, Anziska Y, Christopher-Stine L, Tanji K, Kabani N. Can IgG4-related disease present as isolated myositis? Neuromuscul Disord. 2023 Jul;33(7):570-4. DOI: 10.1016/j.nmd.2023.04.004
[4] Anan R, Akiyama M, Kaneko Y, Kikuchi J, Suzuki K, Matsubara S, Takeuchi T. Polymyositis with elevated serum IgG4 levels and abundant IgG4+ plasma cell infiltration: A case report and literature review. Medicine (Baltimore). 2017 Dec;96(48):e8710. DOI: 10.1097/MD.0000000000008710